Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
Giacometti-Kopien. Eine Dockingstation für das iPhone mit hochwertig aussehenden Tischlautsprechern.
Selbst die Wassergläser waren Original Duralex Picardie.
»Todschick, Schatz. Die will ich zu Weihnachten«, mit diesem Satz hatte Stina vor ein paar Jahren eine völlig neue Art Geschenke in ihrer Ehe eingeführt. Grewe war zuerst entsetzt. »Ich schenke meiner Frau doch keine Haushaltswaren.« Aber Klara zog ihn abends zur Seite und machte ihm klar, dass »Mama sich die wirklich doll wünscht, und sie will so was nicht einfach zwischendurch kaufen«. Grewe kaufte, peinliche Entschuldigungen grummelnd, die die Verkäuferin ohnehin nicht interessierten, eine Karaffe und zwölf Gläser. Stina juchzte an Heiligabend, und Grewe war irgendwie erleichtert, dass er fortan nicht mehr schwitzend und zweifelnd vor Schmuckauslagen stehen oder heimlich in Stinas Kleiderschrank nach den Größen schauen musste, um dann doch nur mit Klaras Hilfe ein passendes Geschenk zu finden.
»Proaktiv. Das ist das Gebot moderner PR , Herr Grewe.«
Grewe nickte. Er wusste nicht, wozu.
Klara. Wurde eine junge Frau. Herrgott, das ging sowieso alles so furchtbar schnell, aber diese Generation machte alles noch mal zwei, drei Jahre früher. Klara war für den Zusammenhalt der Familie fast schon so wichtig wie Stina. Auf jeden Fall wichtiger als Grewe. Fand Grewe.
»Wer Ihrer Leute beliefert eigentlich Herrn Humpert?«
Grewe schaute Kindler an.
»Wie meinen Sie das?«
Kindler verschränkte die Arme und kniff die Augen zusammen.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Grewe, aber ich fürchte, Sie verstehen überhaupt nicht, worum es geht.«
Grewes Alarmglocken schrillten. Er hob das Kinn und zog eine Augenbraue hoch. So freundlich und defensiv er auf die meisten Menschen wirkte und sosehr er auch im Alltag genau das war: Wenn ein Alpharüde auch nur ansetzte, das Bein zu heben, stellte sich Grewes Nackenfell auf, und sein Körper schaltete unumkehrbar auf Angriff.
»Als SoKo-Leiter halte ich den Pressesprecher selbstverständlich auf dem Laufenden. Ich kenne Gregor Humpert jetzt schon fast zwanzig Jahre, und wir sehen uns mehrmals täglich. Aber wie Sie schon richtig sagten, wo es keine Erkenntnisse gibt, da gibt es auch nichts zu berichten. Wir machen einfach unsere Arbeit.«
Kindler trank währenddessen. Fuhr sich durch das kurz geschnittene Haar. Faltete die Hände auf seinem Schreibtisch. Guckte Grewe an, als wäre der ein schneller Happen für zwischendurch.
»Richtig, Herr Grewe. Ihre Leute machen ihre Arbeit. Sammeln und werten aus. Sie leiten. Und zu moderner Polizeiführung gehört Kommunikation unabdingbar dazu. Sie sind auch – und das sage ich ganz bewusst – Verkäufer ihrer, unserer Arbeit. Sie«, er deutete mit der Hand auf Grewe, »vermitteln dem Bürger die Sicherheit, dass wir hier unseren Job machen. Sie«, wieder die Geste, »müssen proaktiv auf Medienvertreter zugehen, ihnen etwas anbieten. Sie einbeziehen. Sie uns gewogen halten. Damit wir in schwierigen Situationen auch auf Verständnis seitens der Berichterstatter zählen können.« Kindler merkte, dass er etwas zu viel Fahrt aufnahm und legte eine kurze Trinkpause ein. Danach hatte er sofort wieder zu seinem Überlegenheit suggerierenden, aber tendenziell überheblichen Tonfall zurückgefunden. »Und es ist sicher weder hilfreich noch sinnvoll, noch ein richtiges Signal, wenn der Leiter der SoKo einer solch heiklen Ermittlung die Pressekonferenz durch die Hintertür verlässt.«
Aha. So also. Grewe sah die Falle, stellte aber mit Wucht und ohne Zögern den Fuß mitten hinein.
»Ich hatte den Eindruck, dass Sie die Lage gut im Griff haben, Herr Kindler. Und ich werde mich sicher nicht vor meinen Chef drängen.«
Kindler lächelte. Lehnte sich zurück.
»Sehen Sie, genau das«, er hob den Finger, eine Geste, die Grewe mied wie der Teufel das Weihwasser, weil er sie nur von den schlimmsten Lehrern seiner Jugend kannte, »ist ein Kardinalfehler bei der Öffentlichkeitsarbeit. Falsche Scheu.« Kindler lehnte sich vor, änderte den Ton auf jovial. »Es geht nicht um Selbstdarstellung, sondern um selbstbewusste und offensive Darstellung unserer Behörde, unserer Arbeit. Darauf haben die Medien, darauf haben die Bürger ein Recht. Und wir als Führungspersonal haben das zu gewährleisten.« Er nickte. Grewe sank noch ein wenig tiefer in den Sessel und staunte, dass das überhaupt möglich war. Kindler beugte sich vor.
»Also. Ich möchte, dass Sie ab sofort
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