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Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Weber
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täglich kurz vor Dienstschluss mit Herrn Humpert eine Tagesmeldung erarbeiten, die dieser dann an die Medien geben kann. Sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, plötzliche Fortschritte möglich sein, ist natürlich in Absprache schneller zu reagieren oder wieder ein größerer Pressetermin anzuberaumen. Das versteht sich.«
    Grewes Hände malmten die Sessellehnen. Spannungsumlenkung.
    »Und was, zum Beispiel, sollen wir den Medien heute erzählen? Dass wir Handydaten checken, aber noch keine Ergebnisse haben? Ein Auto suchen, von dem wir nicht wissen, ob es ein Täter- oder ein Zeugenfahrzeug ist? Eine Stimme analysieren lassen, aber es wird noch dauern? Dass wir die Leichen abgeklebt haben, sie aufgeschnitten und die Schusskanäle vermessen und nichts gefunden haben, das uns weiterbringt? Sollen wir das sagen?«
    Er war im Ton ruhig geblieben. Immerhin.
    Kindler lächelte ihn an.
    »Genau das, Herr Grewe. Sagen, was ist, und vermitteln, dass wir unsere Arbeit machen. Professionell.« Er nickte. »Kriegen Sie das hin?«
    Grewe wäre gerne wütend aufgesprungen, aber er wusste genau, dass das bei diesen weichen Sesseln nur peinlich werden würde. Noch peinlicher, als sowieso schon alles war.
    Der Alte saß wieder in seinem nichtssagenden Büro in dem hoch gesicherten Gebäude. Vor sich das Foto. Ihm gegenüber der junge Mann.
    »Wie geht es Krombholz?«
    Der junge Mann hatte ein Bein über das andere geschlagen, beide Hände um das Knie geschlungen.
    »Den Umständen entsprechend. Das ist wohl der richtige Ausdruck. Sein Gehirn war für mehr als zwei Minuten ohne Sauerstoffversorgung.«
    Der Alte nickte.
    »Er ist zäh. Er schafft das schon.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Glauben Sie, dass das Jäger war?«
    Der Alte schaute etwas an, das weit weg von diesem Büro war. Ob ihm gefiel, was er sah, konnte man in seinem Gesicht nicht lesen. Aber es faszinierte ihn.
    »Noch gestern hätte ich geschworen, dass Jäger tot ist. Schon lange tot. Wie kann ich da heute glauben, dass er uns im Park verfolgt?«
    Langsam fand er Gefallen an seinem Objekt. Er lächelte. Schüttelte langsam und in kleinen Bewegungen den Kopf.
    »Andererseits wurde Jäger genau dazu ausgebildet. Und er war immer einer der Besten. Meiner Meinung nach der Beste überhaupt, jedenfalls bei uns.«
    Er lachte plötzlich.
    »Aber dass er im Alter dermaßen«, er hob das Foto hoch, aber so, dass der Jüngere das Motiv nicht sehen konnte, »pathetisch wird. Erstaunlich.«
    Der Alte guckte angewidert. Steckte das Foto in sein Jackett. Zog das Jackett wieder zurecht. Hob die Augenbrauen.
    »Ja?«
    Der Jüngere zuckte leicht, als wäre er aus einer Träumerei geweckt worden.
    »Nichts.«
    Der Alte lächelte. Gluckste.
    »Das gibt es nicht: nichts.« Sein Mund lächelte, seine Augen waren zu alt dafür.
    Der Jüngere fixierte eine Ecke des Schreibtischs. Das war kein Ausweichen. Er suchte Worte. Fand sie, aber beschloss, dass er besser im Ungefähren blieb. Das konnte der Alte genau sehen. Der Jüngere blickte ihm direkt in die Augen.
    »Könnte es mit der Operation zu tun haben?«
    Der Alte schaute ihn starr an. Aber er sah nicht ihn, sondern etwas anderes. Oder jemand anderen, der nicht im Raum war.
    Dann schloss er die Augen, rieb mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Legte beide Hände auf den Tisch.
    »Unsere Arbeit wird ja gerne mit Begriffen wie Paranoia, Misstrauen, Verschwörung und was sonst noch alles verbunden. Von Leuten draußen«, er ließ seine Hand über die Stadt vor dem Fenster schweifen, »die einfach nur nicht wissen, was wir wissen und nicht sehen wollen, was wir uns jeden Tag ansehen. Und die deswegen zwar in scheinbaren Schicksalsfragen ihrer kleinen Leben bereit sind zu glauben , was Sie und ich und jeder hier im Haus weiß : Dass es keinen Zufall gibt. Nur Muster und Absichten. Aber die niemals glauben würden, dass nur die ›Paranoia‹ von Leuten wie uns sie davor bewahrt, von Wölfen zerrissen zu werden.«
    Der Jüngere nickte. Langsam und immer wieder.
    »Er ist also im Spiel?«
    Der Alte lachte.
    »Ja. Todsicher. Die Frage ist jetzt, ob es sein Spiel ist oder unseres.«

13
    D en Locher? Den bescheuerten Büroklammermagneten? Den kindischen Spitzer von der Gewerkschaft in Form eines Polizeimotorradhelms? Am passendsten wäre es, den Post-it-Block gegen die Wand zu werfen. Der würde nämlich nicht eindrucksvoll dagegenknallen, sondern sich vermutlich im Flug schon auflösen und völlig wirkungslos in Einzelteilen zu Boden

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