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Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Weber
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Bescheid, er war von einem dieser Männer großgezogen worden und hatte erst spät verstanden, wie ähnlich er ihm war.
    Deswegen war es ihm auch viele Jahre nicht eingefallen, an dem albtraumhaften Gespinst aus Paranoia und Unterwanderung zu zweifeln, in das sich die Achtzigerjahre für ihn verwandelten.
    Doch am Ende verlief er sich in diesem Gestrüpp. So sehr, dass er die Hand des Alten genommen hatte, damit der ihm wieder heraushalf.
    Fehler. Großer Fehler.
    Gandalf blieb stehen. Atmete die Waldluft ein. Er liebte den Wald. Den deutschen Wald. Was für ein blödes Klischee.
    Er war vor seinem Vater immer in den Wald geflohen. Hatte sich sicher gefühlt. Bis der eines Tages einfach vor ihm stand. Ihn ansah und sagte: »Du kannst vor mir weglaufen. Aber nicht vor dir selbst, Junge.«
    An dem Tag begriff Gandalf, was ein Soldat war. Und dass er einer werden würde. Auch wenn er es noch lange vor sich selbst zu leugnen versuchte.
    Die Tage und Wochen in Wäldern waren später die besten seiner Zeit in Uniform gewesen. Das Moos, das Rauschen der Blätter im Wind. Der knirschende Schnee. Die sprießenden Frühblüher und die Knospen. Den Regen annehmen und ihn an sich herablaufen lassen. Sich verstecken in der Erde, sich eingraben. Eins werden mit dem Wald. Verschmelzen. Und den Feind in Sicherheit wiegen.
    So, wie Gandalfs Vater seinem Sohn an diesem einen Tag gezeigt hatte, dass das sein Wald war und Gandalf sich nur darin verstecken konnte, weil der Herr des Waldes es ihm erlaubte. Und auch nur so lange, wie er es erlaubte.
    Er schloss die Augen. Atmete. Kokyu. Der Atem im Budo.
    Gandalf spürte, wie er sich für einen Moment auflöste im Rufen der Vögel. Er hielt den leisen Wind in seinem Gesicht fest. Ließ den Atem in seinen Körper strömen und durch sich hindurchgehen. Gab ihn dem Wald zurück und nahm den Wald in sich auf.
    Öffnete die Augen. Hob den Blick in den Himmel.
    Die Schlacht konnte kommen.
    Er war bereit.
    Gerd Drossel stand auf der Leiter, die Martina Stützel festhielt. Die Sanitäter hatten alle Kunden und Angestellten der Bank, die nicht ins Krankenhaus mussten, nach hinten gebracht in die Räume, die während des Überfalls definitiv nicht von den Räubern betreten worden waren und wo sich die Spurensuche also auch nicht lohnte.
    Drossel trug eine helle Stirnlampe und ein Vergrößerungsglas vor dem rechten Auge. In der Hand hatte er eine Pinzette, auf dem obersten Tritt lag ein Kasten mit Beweismittelbeuteln und weiterem Werkzeug. Im Kassenraum arbeiteten außer ihm und Martina noch zwei Leute der Tatortbereitschaft. Sie hatten schon Schuhabdrücke gesichert, und es würde anhand der Vergleiche mit den Geiseln möglich sein, die der Bankräuber herauszufiltern. Die Filiale wurde jeden Abend nach Schluss gründlich geputzt, und der Überfall hatte sich etwa zwanzig Minuten nach Öffnung ereignet und nicht länger als zehn Minuten gedauert.
    »Gerd, wie sieht’s aus?«
    Didi Noss, der Leiter des Dauerdienstes, steckte seinen Kopf aus der Tür zum hinteren Bereich, wo er und seine Leute die Angestellten und Kunden vernahmen.
    Drossel stocherte vorsichtig in einem Loch herum und schüttelte ärgerlich den Kopf.
    »Wie weit seid ihr mit dem Fußboden?« Martina stellte die Frage laut in den Raum. »Die Kollegen möchten tanzen.«
    Noss verdrehte die Augen. Ein Kamerablitz gab seinem Gesicht für Sekunden eine ungesunde Färbung, und Drossels Leute brachen in Lachen aus.
    »Abzüge morgen, Didi.« Heiner Grund hob seine Kamera hoch und zwinkerte.
    »Abzüge am Arsch, Heiner. Ich hol gleich Luc aus dem Auto, dann habt ihr wenigstens Hundehaare für eure Sammlung.«
    Luc war der mittlerweile zwölf Jahre alte Jagdterriermix, der dem riesigen Didi Noss auf Schritt und Tritt folgte, wenn er nicht von Noss’ Freundin betreut werden konnte. Sie war bei der Sitte im Schichtdienst, und die beiden sahen sich öfter im Dienst als privat.
    »Luc fällt als Täter sowieso aus, Nossinger. Der braucht keine Pistole, um ’ne Bank zu überfallen.«
    Noss schob mit dem Mittelfinger seine Pilotenbrille nach oben und zeigte dann pistolenmäßig auf Grund.
    »Genau, Alter. Und der braucht auch keine Pistole, um euch aufzufressen.«
    Mit einer Eleganz, die man dem schwergewichtigen Bullen niemals zutrauen würde, drehte er auf dem Absatz um und ließ seine Stimme nach hinten donnern.
    »Wetschinsky, Bogdan, wir gehen alle hinten raus. Die Fusselklauber kriechen immer noch auf dem Boden rum.«
    Beste

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