Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
macht immer nur hm … hm … hm, ganz, ganz leise, damit die Nachbarn nichts mitkriegen?
Also.
Fuck.
Merten musste lachen. Was dachte er eigentlich, wer er sei?
Er war ein spießiger kleiner Bub aus einer spießigen Familie mit einer spießigen Verlobten, die sein spießiges Kind ohne sein Zutun aufziehen würde, weil er für einen Moment geglaubt hatte, dass er ein Cowboy sei, der eine wilde Stute zureitet.
»Merten, hey!«
Jürgen. Er donnerte den Zeigefinger auf den Desktop.
»Stiller Alarm, Mann! Überfall in der Sparkassenfiliale Roeggelstraße. Los, gib Gummi.«
So ein Mist.
Merten leitete den Alarm im System weiter. Jürgen saß schon am bislang unbesetzten zweiten Tisch und hatte den Funk in der Hand.
Im Hintergrund hörte Merten schon die ersten Kollegen im Eilschritt über den Flur in Richtung Spinde laufen.
Banküberfall, das war das große Theater.
Die Sonntagsvorstellung.
Schutzwesten, Maschinenpistolen. Weiträumige Absperrung. Verkehrsumleitung. Einsatzzentrale vor Ort. SEK . MEK . Polizeipsychologen. Dezernatsleiter und Pressesprecher. Wenn die Räuber beim Eintreffen der Polizei noch in der Bank waren, dann dauerte es lange. Geiselnahme. Fernsehen, Rundfunk.
Das ganze Programm.
Nur hier in der Direktion würde sich nichts ändern, außer dass Merten dauernd ans Telefon gehen musste und seine Finger schneller über das Bedienpult und die Tastatur flogen.
Er war im Büro.
Tat seine wichtige, wichtige Arbeit.
Ruhe. Wärme. Gedämpftes Licht.
Genau die Sorte Mann, auf die Jana stand.
Haha.
Isabell Bender spürte das Metall der Waffe an ihrer Schläfe. Sie hatte sich schon beinahe daran gewöhnt. Vielleicht. Vielleicht.
Bitte.
»Gib Gas, Junge, sonst ist hier Schluss für die Dame.«
Der Brüller brüllte gar nicht mehr. Der Brüller war ein Rauner geworden oder besser ein Zischer.
Leise und gefährlich. Seine Stimme zitterte fast unmerklich. Die Waffe aber zitterte nicht. Sie drückte ihr Profil in Isabells Schläfe ein und war bereit, die tödliche Kugel in ihren Kopf zu entlassen.
Blutspritzer. Hirnmasse. Schädelsplitter. Warum zeigten die das in Filmen immer so deutlich? Damit Isabell Bender, sechsunddreißig, verheiratet und Mutter einer zehnjährigen Tochter, sich jetzt so entsetzlich genau vorstellen konnte, wie sich der Inhalt ihres Schädels über den Tresen verteilen würde? Die Biomasse, die einst alle Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Sehnsüchte einer jungen schönen Frau speicherte?
Nico Förster raffte die Scheine aus der Kasse und stopfte sie in den Rucksack, den der Brüller ihm zugeworfen hatte. Um die vierzigtausend waren in der Handkasse. Ungesichert. Und Isabell hoffte inständig, dass Förster alle Schulungen vergessen hatte, wie man noch eine Farbbombe in die Geldbündel schmuggelte und ähnlich lebensgefährlichen Mist.
Sie hoffte inständig, dass er einfach das ganze verdammte und gut versicherte Geld in den Rucksack warf und dem Brüller gab und der dem Zarten zunicken würde und dann die beiden aus der Bank stürmen würden und flüchten. Ja. Flüchten. Isabell war es völlig egal, ob sie gefasst würden und vor Gericht gestellt, das interessierte sie einen Scheiß. Einen Scheiß. Einen verdammten dreckigen Scheiß. Sie war so wütend, so verzweifelt. Sehnte sich so nach Lara und Tom und ihrem Leben. Ihrem wundervollen Leben, das sie nicht verlieren wollte.
Nicht so.
Nicht jetzt.
»Hinlegen, verdammt noch mal.«
Die Pistole war nicht mehr an ihrem Kopf.
Der Brüller stieß sie gegen Isabells Rippen.
Von den Geiseln am Boden ließ sich Schluchzen und Amten hören. Und das pfeifende Keuchen von Frau Schnoor, die schweißüberströmt und totenblass immer noch an dem Pflanzenkübel lehnte.
Nico Förster ging an Isabell vorbei, vermied, sie anzusehen, wahrscheinlich weil er sie für todgeweiht hielt. Abwehrzauber. Tabu. Tabu.
Der Brüller schob Isabell vor sich her. Sie versuchte, in die Knie zu gehen, aber ihre Knie waren steif. Verkrampft.
Sie spürte einen Tritt in die Kniekehle. Sackte zusammen und knallte auf den Boden. Ließ sich einfach nach vorne fallen. Konnte den Aufprall ihres Gesichts gerade noch bremsen.
Lag.
Drehte langsam den Kopf, damit sie eine Wange auf den kühlen Boden legen konnte. Schloss die Augen.
Die Tür der Bank flog zu.
Sie waren weg.
Isabell Bender verlor das Bewusstsein.
15
G andalf verbrachte die Nacht im Auto. Fuhr Richtung Südosten. Verließ nach ein paar hundert Kilometern die Autobahn und parkte das
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