Keine Zeit für Vampire
wahr?«
»Wen meinst du? Thor oder mich?«
»Euch beide.« Ich ließ mir von ihm aufhelfen, wischte die Erde von meinem Sommerkleid und versuchte so unauffällig wie möglich, auch den Schmutz aus meinem BH herauszuklauben. »Weißt du was? Ich glaube, ich werde zu Fuß in die Stadt gehen. Da laufe ich weniger Gefahr, mir das Genick zu brechen.«
»Nun stell dich mal nicht so an«, entgegnete er und bugsierte mich wieder auf das verflixte Pferd. »Ich verstehe nicht, wie du nie ordentlich reiten lernen konntest. Nun ist jedenfalls nicht der richtige Zeitpunkt, um deine Ängste die Oberhand gewinnen zu lassen. So, nun hake das Bein ein, wie ich dir gesagt habe.«
Nach einer etwa fünfminütigen Unterweisung hatte ich es endlich geschafft, mein Bein zu Nikolas Zufriedenheit zu verkeilen. Er führte das Pferd im Kreis und erklärte, was ich tun musste, um die Balance zu halten und mich an die Bewegungen des Tieres anzupassen. Ich hockte recht unsicher und schwankend auf dem Pferderücken, beschloss aber, dass ich lieber durchhalten als die übrigen knapp fünf Kilometer zur Stadt zu Fuß gehen wollte. Vor allem deshalb, weil einer bislang unbekannten romantischen Seite an mir ein Ritt im Mondlicht in Begleitung eines gut aussehenden Mannes außerordentlich behagte – selbst auf die Gefahr hin, dass möglicherweise mindestens einer von uns beiden nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.
»Das ist gar nicht mal so schlecht«, gestand ich wenig später ein. Inzwischen hatte ich es geschafft, den panischen Klammergriff, mit dem ich mich in die Mähne des Pferdes gekrallt hatte, etwas zu lockern. »Jetzt habe ich es, glaube ich, raus, wie man mit den Bewegungen des Pferdes mitgeht. Können wir etwas schneller reiten? Geht das, ohne dass ich gleich wieder runterfalle? Zu Fuß wäre ich wahrscheinlich genauso schnell wie wir momentan zu Pferd, und ich möchte so schnell wie möglich in die Stadt, damit ich endlich erfahre, wer von uns beiden den Verstand verloren hat.«
»Wenn du es wünschst.« Er schnalzte mit der Zunge, und ehe ich mich versah, preschte das weiße Ungetüm, das er ritt, auch schon wie eine Rakete davon – eine vierbeinige Rakete mit Schwanz.
Nun gibt es da eine Sache, die man über Pferde wissen sollte: Wenn zwei dieser Tiere viel Zeit miteinander verbringen, dann werden sie offenbar zu so was wie allerbesten Freunden, und wenn dann einer von ihnen wie von der Tarantel gestochen lossaust, möchte das andere Pferd nicht hintanstehen.
»Damit lautet die Antwort auf deine Frage von eben eindeutig Nein«, kommentierte eine Stimme hinter mir, als ich mich stöhnend am Boden auf den Rücken rollte und in den Nachthimmel aufsah.
»Wie bitte?« Vorsichtig bewegte ich Arme und Beine, um zu überprüfen, ob alle Gliedmaßen noch funktionierten. Das taten sie, wenngleich sie leicht lädiert waren. Außerdem fühlte ich mich vom unerwarteten Aufprall auf den Boden etwas benommen. »Was hast du gesagt?«
»Du wolltest wissen, ob wir schneller reiten können, ohne dass du herunterfällst. Und die Antwort lautet: Nein, es geht nicht. Bist du verletzt?«
»Keine Ahnung.« Ich stöhnte mitleidheischend und schielte nach Nikola. Leider brachte der kein Mitgefühl für mich auf. Stattdessen ertappte ich ihn dabei, wie er lüstern meine Beine begaffte, die bis zum Oberschenkel entblößt waren, weil sich mein Kleid beim Sturz verheddert hatte. »Hey, erinnerst du dich nicht mehr? Mein Gesicht ist weiter oben.«
»Du hast mir verboten, mich an deinen Brüsten zu ergötzen. Von deinen Beinen hast du nichts erwähnt.«
»Das gilt für sämtliche Körperteile.« Ich setzte mich auf, zog das Kleid runter und warf ihm einen zornigen Blick zu, der sich gewaschen hatte, im Dunkeln aber wahrscheinlich nicht so gut zu erkennen war – obwohl er meine Beine offenbar ganz gut erkennen konnte.
Es wäre eine Schande, sich diesen Anblick entgehen zu lassen.
»Hey!« Ich sprang auf und rannte ihn dabei beinahe um. »Hilf mir zurück aufs Pferd. Ich muss unbedingt in die Stadt und mich in ärztliche Behandlung begeben.«
»Dann hast du dich doch verletzt?« Nikola schob mich wieder auf mein Pferd.
»Nicht so, wie du denkst, aber ich höre …« Ich verstummte, denn ich wollte ihm nicht verraten, dass mein Hirn, als ich ohnmächtig geworden war, offensichtlich mächtig Schaden genommen hatte und ich jetzt unter Wahnvorstellungen erster Güte litt.
Mir erscheinst du nicht geisteskrank.
»Oh Gott«, entfuhr es mir
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