Keine Zeit für Vampire
Vampirfreund, der dir zeigte, wo es langging?«
»Wie, wolang? Wo sollte ich denn hingehen?«
Ich winkte ab. »Das sagt man eben so. Wie hat denn deine Familie auf das reagiert, was dir zugestoßen ist?«
Einen Augenblick hörte man nur Thors gedämpften Hufschlag. »Zu diesem Zeitpunkt war meine Mutter bereits tot, ebenso ihr zweiter Ehemann. Meine Brüder waren zwei beziehungsweise drei Jahre jünger als ich.«
Mehr sagte er dazu nicht, aber ich konnte spüren, dass er intensive Gefühle mit diesem Thema verband, traurige Gefühle, über die ich gern mehr erfahren hätte, doch ich nahm mich zurück, hielt die Lippen geschlossen, und mein mentales Mikrofon schwieg ebenfalls. Selbstverständlich verband er damit starke Gefühle. Schließlich erinnerte er sich gerade daran, wie sich seine ganze Welt durch die Hand des Dämonenlords verändert hatte. Ich hätte gerne gefragt, wer ihn seiner Ansicht nach mit diesem Fluch belegt hatte, doch seine angespannten Schultern und Kiefermuskeln verrieten mir, dass meine Fragen sicherlich nicht willkommen gewesen wären.
Also verbrachte ich stattdessen die nächsten vierzig Minuten damit, ihm von der Stadt zu erzählen und ihm zu beschreiben, welche Veränderungen ihn dort erwarten würden. Ich beschrieb ihm Autos, Mobiltelefone und Flugzeuge und setzte gerade dazu an, ihn über Computer ins Bild zu setzen, als wir die letzte Biegung der gewundenen Straße nahmen, die zur Stadt führte. Vor uns am Talgrund breitete sich ebenes Weideland aus, und mittendrin sah man die u-förmig angeordneten, bunten Zelte der GothFaire und die farbigen Wohnwagen der Schausteller, die in Reih und Glied auf der anderen Seite der Wiese aufgereiht standen.
»Sie sind ja immer noch hier!«, sagte ich laut und beobachtete, wie in weiter Ferne ein Mann über die Messe schlenderte. »Na, was für ein Glück. Sieh mal, Nikola, der Jahrmarkt ist noch da.«
Er riskierte ebenfalls einen Blick, und ich konnte erkennen, wie sich im Schatten, den der Schal auf seinem Kopf warf, seine Augenbrauen ein wenig hoben. »Ah. Gibt es dort auch Zauberer? Ich interessiere mich seit eh und je für Zauberer. Als ich noch jung war, wollte ich ebenfalls einer werden, aber meine Mutter meinte, dass sie noch niemals von einem zaubernden Baron gehört hätte, und darum weigerte sie sich, mir einen Lehrer zu besorgen, der mir diese Kunst hätte beibringen können. Natürlich habe ich mich auf eigene Faust in dieses Thema vertieft, aber ich glaube, wenn ich entsprechend unterwiesen worden wäre, hätte ich ein großartiger Zauberer werden können.«
»Du bist wirklich und wahrhaftig der seltsamste Mann, den ich jemals getroffen habe«, konstatierte ich und stieg von Thor herunter. »Faszinierend, aber merkwürdig.«
»Und erregend außerdem«, bemerkte er mit einem selbstzufriedenen, sehr männlichen Ausdruck in seinem hübschen Gesicht. »Selbst jetzt, in diesem Augenblick, würdest du mich am liebsten hier ins Gras zerren und meine Männlichkeit reiten.«
»Hör mal, es ist schon schlimm genug, dass du weißt, dass ich solche unanständigen Gedanken über dich habe. Du musst mir nicht auch noch unter die Nase reiben, dass du weißt, dass ich sie denke!«
»Warum?«
»Warum? Was meinst du mit warum? Ist das nicht offensichtlich?«
»Wenn es offensichtlich wäre, hätte ich nicht gefragt. Ich gehöre nicht zu den Männern, die einfach nur etwas sagen, weil sie sich gerne selbst reden hören. Allerdings bin ich sehr neugierig, was ich bereits, glaube ich, erwähnt habe. Wenn ich also frage, warum, so liegt das daran, dass ich nicht nachvollziehen kann, dass du es unangebracht findest, wenn ich einfach nur die Fakten wiedergebe, nämlich, dass du übermäßig viel Zeit darauf verwendest, darüber nachzudenken, mich zu reiten, ganz zu schweigen davon, dass du in Erinnerungen an den gestrigen Abend schwelgst, als du dies tatsächlich getan hast. Du möchtest mich gerne besteigen, und ich habe gegen dieses Verlangen nichts einzuwenden. Ergo sind wir bei diesem Thema einer Meinung. Warum wehrst du dich dagegen, das zuzugeben?«
»Für jemanden, der nicht nur spricht, weil er sich gerne reden hört, quatschst du ganz schön viel«, gab ich etwas zickig zurück. Die Tatsache, dass er im Grunde damit absolut recht hatte, war dabei nebensächlich. Ich war entschlossen, über solchen Dingen zu stehen und mich nicht damit aufzuhalten. »Und da wir gerade Fakten klarstellen: Es stimmt vielleicht, dass ich dich gerne reiten
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