Keine Zeit für Vampire
wir uns noch mal genauer unterhalten«, sagte ich zu ihm und fragte mich, wie um alles in der Welt ich ihm die Feinheiten der modernen Sprache vermitteln sollte. »Aber mal ernsthaft, sie hielt mich für deine Mutter? Zugegeben, ich sehe älter aus als du, aber trotzdem. Ich wirke nur ein wenig älter als du, nur ein ganz, ganz kleines bisschen, und das liegt nur daran, dass du so unverschämt jung aussiehst.«
Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Wenn du möchtest, dann werde ich mein Äußeres verändern, damit ich älter wirke. Allerdings siehst du gar nicht so steinalt aus, wie du denkst. Du wirkst eher … reif.«
Ich bekam ganz, ganz große Augen. »Man sagt einer Frau nicht , dass sie reif aussieht. Dann kannst du auch gleich alte Schachtel sagen.«
»Ach so? Und was ist mit gesetzt?«
Ich holte tief Luft. »Hör mal, ich bin vielleicht nicht so gut ausgestattet und straff wie Miss Österreichische Oberschlampe da hinten, aber ich bin weder reif noch gesetzt. Falls du es ganz genau wissen möchtest: Ich bin neununddreißig Jahre alt und meine Freunde – meine Freunde – versichern mir immer, ich würde viel jünger aussehen. Viel, viel jünger! Gut, ich werde in zwei Monaten vierzig, aber das hat gar nichts zu bedeuten, denn wie jeder weiß, werden Frauen jenseits der dreißig immer besser und besser, wogegen Männer in diesem Alter ihren Zenit bereits überschritten haben und sich wieder auf dem absteigenden Ast befinden. Also schieb dir dein dummes Gerede in den … Hey! Was soll das bedeuten, dass du dein Äußeres verändern kannst, um älter zu wirken?«
»Wenn es dich stört, dass ich jünger erscheine, dann werde ich mein Erscheinungsbild anpassen.«
Ich starrte ihn fasziniert an. »Meinst du damit, du willst dir die Haare färben?«
»Nein. Als meine Frau älter wurde, habe ich es auch für sie getan. Ihr missfiel es ebenfalls, dass ich deutlich jünger als sie aussah.« Er runzelte die Stirn. »Das ist wohl eine speziell weibliche Eigenheit, wenn auch Imogen bisher keinerlei derartige Tendenzen zeigt.«
»Willst du damit sagen, du kannst tatsächlich dein Aussehen verändern?« Ich wedelte mit der Hand. »Also, quasi durch Zauberei? Kannst du dich auch in eine Fledermaus verwandeln? Oder in einen Wolf?«
Er sah mich an, als wäre ich diejenige, die etwas vollkommen Ungewöhnliches gesagt hätte. »Selbstverständlich nicht. Und ja, bald nach Benedikts Geburt habe ich entdeckt, dass ich mein Äußeres verändern und, wenn ich es wünsche, auch optisch altern kann. Nachdem meine Frau gestorben war, hat sich mein Aussehen wieder zurückverwandelt, ohne dass es mir bewusst gewesen wäre. Erst als Imogen eines Tages anmerkte, dass ich jünger aussähe, fiel es mir auf.«
»Warum wurdest du nach außen hin jünger?«
Wieder zuckte er mit den Schultern. »Das war kein bewusster Vorgang. Wahrscheinlich wollte ich einfach am liebsten so von anderen gesehen werden.«
»Wow. Das ist … wow. Das ist wahrscheinlich notwendig, damit ihr nicht überall auffallt«, sagte ich und spann die Idee weiter. »Ich meine, eine Person, die nicht altert, würde doch Aufmerksamkeit erregen. Was haben denn deine Bediensteten dazu gesagt, als du dich wieder in den jungen Nikola zurückverwandelt hast?«
»Damals, als meine Frau starb, lebten wir noch in Wien. Nach ihrem Tod bin ich für einige Jahre nach England zurückgekehrt und habe von dort meine Angestellten mit hierher genommen und die Andrasburg wieder übernommen.«
»Clever. Kannst du das auch jetzt sofort machen?«
Er sah mich perplex an. »Was machen?«
»Dich altern lassen. Mir ist es ja nicht so schrecklich wichtig, aber meine Cousine bringt mir gleich einige Sachen ins Hotel, und ich möchte nicht, dass sie denkt, ich stehe neuerdings auf extra junge Kerle.«
Er blieb stehen. Wir befanden uns gerade auf einem der kleinen Plätze, die über die ganze Stadt verteilt waren. Er sah mich an. Seine Iris verdunkelte sich und nahm einen saphirblauen Farbton an. Dann kniff er konzentriert die Augen zusammen. Ich beobachtete ihn mit angehaltenem Atem und hatte keine Ahnung, was als Nächstes passieren würde.
In seinem Gesicht bewegte sich etwas, es wurde etwas unscharf, dann wieder deutlicher, und plötzlich zeigte sich unter seinen Augen ein Fächer aus zarten Fältchen. An seinen Schläfen erschienen einige silberne Strähnen, wenngleich kaum sichtbar, aber bei genauem Hinsehen doch deutlich zu erkennen.
»Das ist unglaublich! Wie machst du
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