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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Gewehr.
    »Keine Bewegung!« Mit den Fingern betastete er die Verletzung an seiner Stirn. Ungläubig betrachtete er das Blut. »Sind Sie wahnsinnig?«
    Ich lag auf dem Rücken und atmete schwer. Ich nahm nicht an, dass ich mir etwas gebrochen hatte, aber andererseits wusste ich auch nicht, ob das noch eine Rolle spielte. Er kam auf mich zu und versetzte mir einen Tritt in die Rippen. Der Schmerz schoss mir wie ein heißes Messer in die Brust. Ich rollte zur Seite. Er ergriff meine Hände und fing an, mich über den Boden zu schleifen. Ich versuchte, die Beine unter den Körper zu bekommen. Er war stark wie ein Bulle. Die Stufen vor dem Wohnwagen hielten ihn nicht auf. Er schleifte mich hinauf, stieß die Tür mit der Schulter auf und warf mich wie einen Sack Torf hinein.
    Mit einem dumpfen Schlag landete ich auf dem Boden. Verne Dayton trat ein und schloss die Tür. Ich sah mich um. Größtenteils entsprach der Raum dem, was ich erwartet hatte, doch es gab
auch ein paar Überraschungen. Das Erwartete: An den Wänden hingen Gewehre. Antike Musketen und Flinten. Außerdem hing dort der obligate Hirschkopf, eine gerahmte Mitgliedsurkunde der National Rifle Association auf den Namen Verne Dayton und eine gesteppte Amerikanische Flagge. Das Überraschende: Es war makellos sauber, und viele Leute hätten die Einrichtung geschmackvoll genannt. In der Ecke stand ein Laufstall, aber es lagen keine Spielsachen darin herum. Die waren in so einer Plastikkommode mit verschiedenfarbigen Schubladen verstaut. Die Schubladen waren beschriftet.
    Verne Dayton setzte sich und sah mich an. Ich lag noch immer auf dem Bauch. Er richtete kurz seine Frisur, indem er ein paar Strähnen nach hinten schob und sie sich hinter die Ohren klemmte. Sein Gesicht war schmal. Alles an ihm wirkte hinterwäldlerisch.
    »Haben Sie sie so zusammengeschlagen?«, fragte er.
    Im ersten Moment wusste ich nicht, wovon er sprach. Dann fiel mir ein, dass er Rachels Verletzungen gesehen hatte. »Nein.«
    »Macht Sie das an? Eine Frau zusammenschlagen?«
    »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Er zog einen Revolver, öffnete die Trommel und steckte eine Patrone hinein. Er drehte sie zurecht und richtete ihn auf mein Knie. »Wer hat Sie geschickt?«
    »Niemand.«
    »Soll ich abdrücken?«
    Ich hatte genug, rollte mich auf den Rücken und wartete auf den Schuss. Aber er schoss nicht. Er ließ mich gewähren und hielt den Revolver auf mich gerichtet. Ich setzte mich auf und sah ihm in die Augen. Das schien ihn zu verwirren. Er trat einen Schritt zurück.
    »Wo ist meine Tochter?«, fragte ich.
    »Hä?« Er legte den Kopf schief. »Soll das ein Witz sein?«

    Ich sah es in seinen Augen. Das war nicht gespielt. Er hatte keine Ahnung, wovon ich redete.
    »Sie tauchen hier mit Waffen auf«, sagte er, wobei sein Gesicht rot anlief. »Wollen Sie mich umbringen? Meine Frau? Meine Kinder?« Verne hob den Revolver und zielte jetzt auf mein Gesicht. »Nennen Sie mir einen guten Grund dafür, dass ich Ihnen nicht das Hirn wegblase und Sie im Wald verscharre.«
    Kinder. Er hat Kinder gesagt. Irgendetwas an dieser ganzen Sache ergab plötzlich überhaupt keinen Sinn mehr. Ich entschloss mich, es drauf ankommen zu lassen. »Hören Sie«, sagte ich. »Mein Name ist Marc Seidman. Vor achtzehn Monaten ist meine Frau ermordet und meine Tochter entführt worden.«
    »Was quatschen Sie da?«
    »Bitte, lassen Sie mich erklären.«
    »Momentchen.« Vernes Augen wurden schmal. Er rieb sich das Kinn. »Ich erinnere mich daran. Aus dem Fernsehen. Sie haben auch ein paar Schüsse abgekriegt, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und warum wollen Sie mir meine Waffen wegnehmen?«
    Ich schloss die Augen. »Ich will Ihnen Ihre Waffen nicht wegnehmen«, sagte ich. »Ich bin hier …«, ich wusste nicht, wie ich das ausdrücken sollte, »… ich suche meine Tochter.«
    Es dauerte einen Moment, bis er das begriff. Dann klappte sein Unterkiefer runter. »Sie glauben, ich hab was damit zu tun gehabt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie wär’s, wenn Sie mir das mal erklären.«
    Das tat ich. Ich erzählte ihm alles. In meinen Ohren klang es verrückt, aber Verne hörte aufmerksam zu. Er war voll konzentriert. Am Ende sagte ich: »Der Mann, der das getan hat – oder zumindest irgendwie daran beteiligt war – das weiß ich nicht genau.
Wir haben sein Handy. Er hat nur einen Anruf bekommen. Und zwar von hier.«
    Verne überlegte. »Dieser Mann. Wie hieß er?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Ich rufe viele Leute an,

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