Keine zweite Chance
teilen. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Der zweite ist interessanter. Die Seite von einer Ehemaligenvereinigung. Darauf sind College-Abgänger aufgeführt, zu denen sie gerne Kontakt aufnehmen würde.«
»Von welchem College?«, fragte ich.
»University of Philadelphia Family Nurse and Midwifery.«
Ein Krankenpfleger- und Hebammen-College. Das passte.
Katarina sagte: »Sie sind fertig.«
»Das ging aber schnell«, sagte ich.
»Sehr schnell.«
Katarina lauschte weiter. »Die Frau sagt Tatiana, dass sie aufpassen soll. Sie soll ordentlich essen, damit es dem Baby gut geht. Sie soll anrufen, wenn sie sich wieder schlecht fühlt.«
Ich sah Rachel an. »Klingt schon freundlicher als am Anfang.«
Rachel nickte. Die Frau, die wir für Denise Vanech hielten, kam aus dem Motel. Sie ging mit hoch erhobenem Kopf und neckisch wackelndem Hintern. Das weiße Stretchhemd war gerippt und, wie ich feststellen musste, ziemlich durchsichtig. Sie stieg in ihren Wagen und fuhr los.
Ich ließ den Camaro an. Der Motor röhrte und hustete wie ein langjähriger Raucher. In sicherem Abstand folgte ich dem Lexus. Wir machten uns keine großen Sorgen, dass wir sie verlieren könnten. Wir wussten ja jetzt, wo sie wohnte.
»Ich kapier das immer noch nicht«, sagte ich zu Rachel. »Wieso können die einfach so Babys kaufen?«
»Sie suchen sich extrem verzweifelte Frauen. Sie locken sie mit Geldversprechungen und einem soliden, angenehmen Zuhause für ihr Kind.«
»Aber um ein Kind zu adoptieren«, sagte ich, »muss man eine ziemliche Prozedur über sich ergehen lassen. Das ist echt nervenaufreibend. Ich weiß das von ein paar ausländischen Kindern – Kinder mit entstellten Gesichtern –, die hier rübergebracht werden
sollten. Der Papierkram ist unbeschreiblich. Es ist praktisch unmöglich.«
»Dazu fällt mir auch nichts ein, Marc.«
Denise Vanech fuhr auf die New Jersey Turnpike Richtung Norden. Das war der Weg zurück nach Ridgewood. Ich ließ den Camaro noch zehn Meter weiter zurückfallen. Dann ging der rechte Blinker an, und der Lexus bog an der Vince-Lombardi-Raststätte ab. Denise Vanech stellte den Wagen ab und ging hinein. Ich parkte am Rand der Einfahrt und sah Rachel an. Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Vielleicht muss sie auf die Toilette«, meinte ich.
»Sie hat sich im Bad gewaschen, nachdem sie Tatiana untersucht hat. Warum ist sie da nicht gegangen?«
»Vielleicht hat sie Hunger.«
»Sieht sie aus, als würde sie regelmäßig bei Burger King essen, Marc?«
»Und was machen wir jetzt?«
Rachel zögerte kurz. Dann packte sie den Türgriff. »Setz mich vorm Eingang ab.«
Denise Vanech war sich ziemlich sicher, dass Tatiana simuliert hatte.
Das Mädchen hatte behauptet, Blutungen gehabt zu haben. Denise hatte sich die Laken angesehen. Sie waren nicht gewechselt worden, und trotzdem war kein Blut darauf. Die Bodenfliesen waren auch sauber. Der Toilettensitz war sauber. Nirgends war Blut zu sehen.
Das allein besagte natürlich nicht viel. Möglicherweise hatte das Mädchen es weggewischt. Doch das war nicht alles. Die gynäkologische Untersuchung hatte keinerlei Anzeichen irgendeines Problems erbracht. Nichts. Nicht die kleinste rote Verfärbung.
Auch an ihren Schamhaaren war kein Blut gewesen. Nach der Untersuchung hatte Denise sich die Dusche angesehen. Knochentrocken. Das Mädchen hatte vor nicht einmal einer Stunde angerufen. Sie hatte behauptet, sie würde stark bluten.
Da stimmte etwas nicht.
Dazu kam das seltsame Verhalten des Mädchens. Die Mädchen waren immer verängstigt. So weit, so gut. Denise hatte Jugoslawien im Alter von neun Jahren verlassen, noch in Titos relativ friedlicher Regierungszeit, und sie wusste, was für ein Höllenloch das war. Dieses Mädchen, das da auch noch Krieg und Zerstörung erlebt hatte, musste sich in den USA vorkommen wie auf dem Mars. Doch das war eine andere Angst gewesen. Normalerweise sahen die Mädchen Denise an wie eine Mutter oder eine Art Heilsbringerin und betrachteten sie mit banger Hoffnung. Dieses Mädchen jedoch hatte seinen Blick abgewandt. Es hatte zu viel herumgezappelt. Und da war noch etwas. Tatiana war von Pavel hergebracht worden. Er kümmerte sich normalerweise gut um seine Mädchen. Aber er war nicht da gewesen. Denise hatte schon nach ihm fragen wollen, sich dann jedoch entschlossen, abzuwarten und das Ganze laufen zu lassen. Wenn alles in Ordnung war, würde das Mädchen Pavel schon erwähnen.
Hatte sie aber nicht getan.
Es war
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