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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wiederhaben.«
    »Das verstehe ich. Oder besser: Lenny, der Freund, versteht das.« Jetzt sah Lenny dauernd auf die Uhr. Ich fühlte mich leer, ausgehöhlt wie ein Kanu. Ich meinte, die Uhr ticken zu hören. Es war zum Verrücktwerden. Wieder versuchte ich, zu tun, was vernünftig war, die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, doch das Ticken ließ mir keine Ruhe.
    Lenny hatte gesagt, er würde es drauf ankommen lassen. Ich bin kein Spieler. Ich meide Risiken. Auf der anderen Straßenseite rief eins der kleinen Mädchen: »Das sag ich!« Sie stürmte die Straße hinab. Die andere lachte und stieg wieder aufs Fahrrad. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen, und wünschte verzweifelt, Monica wäre bei mir. Diese Entscheidung durfte ich nicht alleine treffen. Sie sollte auch etwas dazu sagen.
    Wieder sah ich zur Haustür. Regan und Tickner standen nebeneinander vor dem Haus. Regan hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wippte auf den Fußballen auf und ab. Tickner stand mit ungerührter Miene bewegungslos da. Konnte ich diesen Männern das Leben meiner Tochter anvertrauen? Würden sie die Suche nach Tara zu ihrem Hauptanliegen machen oder, wie Edgar
gemeint hatte, ihren persönlichen Vorlieben und Abneigungen nachgehen?
    Es tickte immer lauter und eindringlicher.
    Jemand hatte meine Frau umgebracht. Jemand hatte mein Kind entführt. In den letzten Tagen hatte ich mich gefragt, warum — warum wir? –, und dabei versucht, rational zu bleiben und nicht im reißenden Strom des Selbstmitleids zu ertrinken. Doch ich hatte keine Antwort gefunden. Ich sah kein Motiv, und das war vielleicht das Beängstigendste an der ganzen Sache. Vielleicht gab es einfach keinen Grund. Vielleicht hatten wir einfach nur Pech gehabt.
    Lenny starrte vor sich hin und wartete. Tick, tick, tick.
    »Erzählen wir’s ihnen«, sagte ich.

    Ihre Reaktion überraschte mich. Sie gerieten in Panik.
    Regan und Tickner versuchten natürlich, es zu verbergen, aber mit einem Mal lief ihnen ihre Körpersprache völlig aus dem Ruder — das Zucken der Augenlider, die angespannten Mundwinkel, das übertrieben modulierte Soft-Rock-Sender-Timbre ihrer Stimmen. Sie hatten einfach zu wenig Zeit. Tickner rief sofort den FBI-Spezialisten für Entführungsverhandlungen an, um sich seiner Hilfe zu versichern. Während des Gesprächs schirmte er die Sprechmuschel mit der Hand ab. Regan informierte seine Kollegen von der Polizei in Paramus.
    Tickner legte auf und sagte zu mir: »Wir lassen das Einkaufszentrum überwachen. Natürlich unauffällig. Wir versuchen, in beide Richtungen der Route 17 an jeder Ausfahrt mindestens einen Wagen zu positionieren. Unsere Leute werden an den Eingängen des Einkaufszentrums sein. Aber hören Sie mir bitte gut zu, Dr. Seidman. Unsere Experten meinen, wir sollten sie hinhalten. Vielleicht können wir die Kidnapper dazu bringen, die Geldübergabe zu verschieben und so …«

    »Nein«, widersprach ich.
    »Die verschwinden nicht einfach«, sagte Tickner. »Die wollen das Geld.«
    »Meine Tochter ist schon fast drei Wochen in ihrer Gewalt«, sagte ich. »Ich verschiebe das nicht.«
    Er nickte, obwohl es ihm nicht passte, und versuchte, eine unbewegte Miene zu bewahren. »Dann möchte ich, dass jemand bei Ihnen im Wagen ist.«
    »Nein.«
    »Er kann sich auf dem Rücksitz verstecken.«
    »Nein«, wiederholte ich.
    Tickner probierte es anders: »Oder noch besser — das haben wir schon ein paar Mal gemacht –, wir sagen den Entführern, dass Sie nicht fahren können. Schließlich sind Sie gerade aus dem Krankenhaus gekommen. Wir lassen einen von unseren Männern fahren. Wir behaupten, er wäre Ihr Cousin.«
    Ich runzelte die Stirn und sah Regan an. »Meinten Sie nicht, meine Schwester könnte beteiligt sein?«
    »Das wäre zumindest möglich.«
    »Glauben Sie nicht, dass sie wüsste, ob der Kerl ein Cousin ist?«
    Tickner und Regan zögerten kurz und nickten dann gleichzeitig. »Da ist was dran«, meinte Regan.
    Lenny und ich sahen uns an. Das hier waren die Profis, denen ich Taras Leben anvertraute. Kein angenehmer Gedanke. Ich ging zur Tür.
    Tickner legte mir die Hand auf die Schulter. »Wo wollen Sie hin?«
    »Was glauben Sie denn?«
    »Setzen Sie sich, Dr. Seidman.«
    »Keine Zeit«, entgegnete ich. »Ich muss los. Die Straßen könnten voll sein.«
    »Die können wir frei machen.«

    »Klar, das wäre kein bisschen auffällig«, sagte ich.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Sie von hier aus

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