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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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war weg.
    »Die Schüsse, die Ihre Frau und Sie abbekommen haben, kamen aus einer .38er«, sagte Regan. »Und Ihre scheint verschwunden zu sein.«
    Ich starrte die Kassette an, als erwartete ich, dass sich die Waffe
plötzlich darin materialisierte. Dabei versuchte ich, mir einen Reim darauf zu machen, aber mir fiel nichts ein.
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo die Pistole sein könnte?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann ist uns noch was Eigenartiges aufgefallen«, sagte Regan.
    Ich sah ihn an.
    »Auf Monica und Sie wurde mit verschiedenen .38ern geschossen.«
    »Wie bitte?«
    Er nickte. »Ja, das fand ich anfangs auch unglaublich. Ich habe es im Labor zwei Mal prüfen lassen. Auf Sie und auf Ihre Frau wurde mit unterschiedlichen Waffen geschossen — beides .38er, und Ihre scheint verschwunden zu sein.« Regan zuckte theatralisch die Achseln. »Können Sie mir das erklären, Marc?«
    Ich betrachtete ihre Gesichter. Der Anblick gefiel mir nicht. Wieder ging mir Lennys Warnung durch den Kopf, dieses Mal mit mehr Nachdruck. »Ich möchte meinen Anwalt anrufen«, sagte ich.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Dann tun Sie das.«
    Meine Mutter hatte händeringend in der Küchentür gestanden. Was hatte sie gehört? Ihrer Miene nach zu urteilen auf jeden Fall zu viel. Mom sah mich erwartungsvoll an. Ich nickte, und sie ging ins Nebenzimmer, um Lenny anzurufen. Ich verschränkte die Arme, fühlte mich in dieser Position jedoch nicht wohl. Ich klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Tickner nahm seine Sonnenbrille ab. Er sah mir in die Augen und sagte zum ersten Mal etwas.
    »Was ist in der Tasche?«, fragte er.
    Ich sah ihn nur an.
    »Die Sporttasche, an der Sie die ganze Zeit herumgefingert haben.« Tickners Stimme hatte, im Gegensatz zu seinem harten
Äußeren, eine oberschülerhafte Sprachmelodie und klang insgesamt etwas quäkig. »Was ist da drin?«
    Das Ganze war ein Fehler gewesen. Ich hätte auf Lenny hören sollen. Ich hätte ihn gleich anrufen müssen. Jetzt wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Im Hintergrund hörte ich, wie meine Mutter Lenny zur Eile drängte. Im Kopf ging ich gerade verschiedene Möglichkeiten durch, um ein halbwegs glaubwürdiges Ablenkungsmanöver zu starten — mir fiel nichts Überzeugendes ein –, als ein Geräusch meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Das Handy, das die Kidnapper meinem Schwiegervater geschickt hatten, fing an zu klingeln.

4
    Tickner und Regan warteten darauf, dass ich ranging.
    Ich entschuldigte mich und stand auf, bevor sie reagieren konnten. Dann schnappte ich mir das Handy und hastete durch die Haustür nach draußen. Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht. Ich blinzelte und sah mir das Tastenfeld an. Die Taste zum Annehmen eines Gesprächs war an einer anderen Stelle als bei meinem Handy. Auf der anderen Straßenseite fuhren zwei Mädchen mit leuchtend bunten Helmen auf neonfarbenen Fahrrädern vorbei. Bei einem der Räder kamen rosafarbene Bänder aus den Lenkergriffen.
    Als ich klein war, wohnten in diesem Viertel mehr als ein Dutzend Kinder in meinem Alter. Wir trafen uns immer nach der Schule. Ich weiß nicht mehr, was wir gespielt haben — für ein richtiges Spiel, wie zum Beispiel Baseball oder etwas Ähnliches, waren wir nicht gut genug organisiert –, aber Verstecken, Fangen und irgendeine Form fiktiver (und im Grenzbereich auch echter) Gewalt waren immer dabei. Die Kindheit in einem Vorort ist angeblich
eine Zeit der Unschuld, aber fast immer brach damals mindestens ein Kind in Tränen aus. Wir stritten uns, schlossen Bündnisse und brachen sie wieder, gaben Friedens- und Kriegserklärungen ab, aber ähnlich wie bei Patienten mit gestörtem Kurzzeitgedächtnis war am nächsten Tag alles wieder vergessen. Jeden Abend wurde ein Schlussstrich gezogen. Am nächsten Tag wurden dann neue Allianzen gebildet. Und irgendwann rannte ein anderes Kind weinend nach Hause.
    Schließlich hatte ich den Daumen auf der richtigen Taste. Ich drückte sie und hielt das Telefon ans Ohr. Mein Herz raste. Ich räusperte mich und kam mir wie ein Vollidiot vor, als ich einfach »Hallo?« sagte.
    »Antworten Sie nur ja oder nein.« Die Stimme klang künstlich, wie eine dieser Computerstimmen, die einem sagt, dass man für weitere Auskünfte die Eins drücken soll, zum Bestätigen die Zwei, und so weiter. »Haben Sie das Geld?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie das Garden State Plaza?«
    »In Paramus?«, sagte ich.
    »Parken Sie in genau zwei Stunden auf dem nördlichen Parkplatz. Das ist

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