Keine zweite Chance
Durch den Abnäher an der Hüfte bauschte sich der Anzug fast
wie ein Rock. Er hatte dünne Pianistenfinger. Sein Haar war an den Kopf geklatscht wie das von Julie Andrews in Victor/Victoria , und sein Gesicht hatte diese fleckige Glätte, die ich normalerweise auf eine kosmetische Grundierung zurückführe.
»Bitte«, sagte er mit gekünstelter Stimme. »Mein Name ist Conrad Dorfman. Ich bin stellvertretender Geschäftsführer von MVD.« Wir schüttelten uns die Hände. Er hielt meine einen Moment zu lange fest, legte die freie Linke beim Schütteln über die beiden Rechten und sah uns dabei aufmerksam in die Augen. Conrad forderte uns auf, Platz zu nehmen. Das taten wir. Er fragte, ob wir eine Tasse Tee wollten. Rachel, die die Gesprächsführung übernahm, bejahte.
Wir plauderten noch etwas. Conrad stellte Rachel ein paar Fragen über ihre Zeit beim FBI. Rachel antwortete unbestimmt. Sie gab zu verstehen, dass sie auch als Privatdetektivin arbeitete und sich daher kollegiales Wohlwollen erhoffte. Ich sagte nichts und ließ sie machen. Es klopfte. Die Frau, die uns durch den Flur geleitet hatte, öffnete die Tür und schob einen silbernen Teewagen herein. Conrad schenkte Tee ein. Rachel kam zum Thema.
»Wir hatten gehofft, dass Sie uns helfen können«, sagte Rachel. »Dr. Seidmans Frau war eine Ihrer Klientinnen.«
Conrad Dorfman konzentrierte sich auf den Tee. Er benutzte einen dieser angesagten Filtereinsätze. Sorgfältig fischte er ein paar Teeblätter heraus und goss langsam ein.
»Sie haben ihr eine CD übergeben, deren Inhalt durch ein Passwort geschützt ist. Wir müssen wissen, was auf dieser CD ist.«
Conrad reichte erst Rachel, dann mir eine Tasse Tee. Er lehnte sich zurück und trank einen langen Schluck. »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich kann Ihnen nicht helfen. Das Passwort wird vom Klienten eingerichtet.«
»Die Klientin ist tot.«
Conrad Dorfman ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das ändert eigentlich nichts an der Sachlage.«
»Ihr Mann ist der nächste Verwandte. Damit gehört die CD ihm.«
»Dazu kann ich nichts sagen«, sagte Conrad. »Im Erbrecht kenne ich mich nicht aus. Aber wir haben darauf keinen Einfluss. Wie gesagt richtet der Klient das Passwort alleine ein. Es ist möglich, dass wir ihr die CD gegeben haben – das kann ich zu diesem Zeitpunkt wirklich weder bestätigen noch verneinen –, aber selbst wenn sie von uns ist, haben wir keine Ahnung, was sie als Passwort eingegeben hat.«
Rachel wartete einen Moment. Sie sah Conrad Dorfman an. Er erwiderte ihren Blick, schaute dann aber zuerst weg. Er nahm seine Tasse und trank einen weiteren Schluck Tee. »Können wir feststellen, aus welchem Grund sie ursprünglich zu Ihnen gekommen ist?«
»Ohne gerichtliche Verfügung? Nein, ich denke nicht.«
»Ihre CD«, sagte Rachel. »Die hat doch eine Hintertür.«
»Wie bitte?«
»Jede Firma hat eine«, sagte sie. »Die Informationen verschwinden nicht für alle Ewigkeit. Ihre Firma programmiert ein eigenes Passwort ein, damit ihre Leute auf die Daten zugreifen können.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Ich war beim FBI, Mr Dorfman.«
»Und?«
»Ich kenne mich mit solchen Dingen aus. Ich muss Sie bitten, meine Intelligenz nicht übermäßig in Zweifel zu ziehen.«
»Das war nicht meine Absicht, Ms Mills. Aber ich kann Ihnen einfach nicht helfen.«
Ich sah Rachel an. Sie schien ihre Möglichkeiten abzuwägen. »Ich habe immer noch Freunde, Mr Dorfman. Beim FBI. Wir können Fragen stellen. Wir können herumstochern. Das FBI ist
nicht unbedingt ein Freund der Privatdetektive. Das wissen Sie. Ich will keinen Ärger machen. Ich will nur wissen, was auf der CD ist.«
Dorfman stellte seine Tasse ab. Er zupfte an seinen Fingern herum. Es klopfte, und dieselbe Frau öffnete die Tür. Sie winkte Conrad Dorfman zu sich. Er erhob sich – wieder zu theatralisch – und sprang förmlich durchs Zimmer zur Tür. »Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen würden.«
Als er das Büro verließ, sah ich Rachel an. Sie drehte sich nicht zu mir um. »Rachel?«
»Warten wir einfach ab, wie’s läuft, Marc.«
Aber eigentlich war schon alles gelaufen. Conrad kam zurück. Er durchquerte das Büro, stellte sich neben Rachel und wartete darauf, dass sie zu ihm aufblickte. Sie verweigerte ihm den Triumph.
»Unser Geschäftsführer, Malcolm Deward, ist selbst ein ehemaliger FBI-Agent. Haben Sie das gewusst?«
Rachel antwortete nicht.
»Während wir uns unterhalten haben, hat er
Weitere Kostenlose Bücher