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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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allein wieder die Treppe hinaufgerannt kam, tja, das hatte alles geändert.
    Von diesem Moment an hatte er sie im Auge behalten. Als sie im Dunkeln verschwunden war, hatte Heshy sich langsam an sie herangeschlichen.
    Heshy wusste, dass er Furcht einflößend aussah. Er wusste auch, dass einige Schaltkreise in seinem Gehirn nicht normal verdrahtet waren. Das kümmerte ihn nicht weiter, was, wie er annahm, Teil dieses Verdrahtungsproblems war. Manche Leute sahen in Heshy den Inbegriff des Bösen. Er hatte sechzehn Menschen
umgebracht, vierzehn davon langsam und qualvoll. Er hatte sechs Menschen am Leben gelassen, die sich noch immer wünschten, er hätte es nicht getan.
    Angeblich verstanden Menschen wie Heshy nicht, was sie taten. Das Leiden anderer Menschen erreichte sie nicht. Das stimmte nicht. Die Schmerzen seiner Opfer waren für ihn nichts Abstraktes. Er wusste, was Schmerzen waren. Und er verstand auch die Liebe. Er liebte Lydia. Er liebte sie auf eine Art, die für die meisten Menschen unbegreiflich war. Er würde für sie morden. Er würde für sie sterben. Das sagen natürlich viele über ihre Geliebten – aber wie viele würden es auf einen Versuch ankommen lassen?
    Die Frau im Dunkeln hatte ein Fernglas an den Kopf geschnallt. Ein Nachtsichtgerät. Heshy kannte die aus den Nachrichten. Soldaten benutzten so was im Krieg. Dass sie so ein Gerät hatte, hieß nicht unbedingt, dass sie eine Polizistin war. Die meisten Waffen und anderen militärischen Schnickschnack konnte man zu entsprechenden Preisen online bestellen. Heshy beobachtete sie. Ob Polizistin oder nicht, wenn das Nachtsichtgerät funktionierte, konnte sie Zeugin des Mordes werden, den Lydia gleich begehen würde.
    Also musste sie zum Schweigen gebracht werden.
    Er näherte sich langsam. Er wollte hören, ob sie mit jemandem sprach, ob sie eine Funkverbindung zu irgendjemandem hatte. Doch die Frau schwieg. Vielleicht war sie wirklich allein.
    Er war noch ungefähr zwei Meter von ihr entfernt, als ihr Körper sich plötzlich spannte. Die Frau schnappte kurz nach Luft, und Heshy wusste, dass es Zeit war, sie fertig zu machen.
    Mit zwei schnellen, für seine Masse fast graziösen Schritten sprang er zu ihr hinüber. Er griff mit der rechten Hand um ihren Kopf und legte sie auf ihren Mund. Seine Hand war so groß, dass die Nase gleich mit bedeckt war. Sie bekam keine Luft mehr. Er
legte die linke Hand um ihren Hinterkopf. Dann presste er die Hände zusammen.
    Und als er die Frau auf diese Art fest im Griff hatte, hob Heshy sie hoch, so dass ihre Füße den Boden nicht mehr berührten.

28
    Ein Geräusch ließ mich innehalten. Ich wandte mich nach rechts. Ich meinte, es wäre von oben, von Höhe der Straße gekommen. Ich sah hinauf und versuchte, etwas zu erkennen, aber meine Augen waren noch immer von dem Taschenlampenstrahl geblendet. Außerdem versperrten Bäume mir die Sicht. Ich wartete einen Moment und lauschte. Nichts. Es war still. Außerdem spielte es sowieso keine Rolle. Am Ende dieses Wegs wartete Tara auf mich. Nur das zählte, ganz egal, was sonst noch geschah.
    Konzentrier dich, dachte ich noch einmal. Tara steht am Ende des Weges. Alles andere interessiert nicht.
    Ich ging weiter, sah mich nicht einmal nach der Tasche mit den zwei Millionen Dollar um. Auch die waren belanglos, wie alles außer Tara. Ich versuchte, mir das schattenhafte Bild, die Silhouette im Taschenlampenstrahl, wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Ich stapfte weiter. Meine Tochter. Es war möglich, dass sie nur wenige Schritte von mir entfernt war. Ich hatte eine zweite Chance bekommen, sie zu retten. Konzentrier dich nur darauf. Alles andere ist egal. Lass dich nicht aufhalten.
    Ich ging weiter.

    Beim FBI war Rachel gründlich im Umgang mit Waffen und im Nahkampf ausgebildet worden. Sie hatte viel gelernt in den wenigen Monaten in Quantico. Ihr war klar, dass ein echter Kampf
nichts mit dem zu tun hatte, was man im Fernsehen sah. Im Ernstfall würde man sich zum Beispiel nie mit etwas so Aufwändigem wie einem Tritt ins Gesicht aufhalten. Ebenso wie man dem Gegner nicht den Rücken zuwandte, sich drehte oder sprang – nichts dergleichen.
    Erfolgreiche Nahkampftechnik ließ sich in ziemlich wenigen Punkten zusammenfassen. Man zielte auf die empfindlichen Körperteile. Die Nase war gut – wenn man sie traf, tränten dem Gegner meist die Augen. Die Augen selbst natürlich auch. Die Kehle – jeder, der dort einmal einen Schlag abbekommen hat, weiß, wie schnell

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