Keiner flirtet so wie du
amüsierte sie. „Ihr Männer seid doch alle Kinder.“
„Stimmt. Trotzdem hat Luca seine Sache ganz gut gemacht.“
Das konnte sie bestätigen. Doch auch wenn Luca kein Kind mehr war, hatte seine unglückliche Kindheit ihn geprägt. Darin war er ihr ähnlich. Und sie verstand ihn jetzt, hatte auf der dreistündigen Fahrt von Echuca lange darüber nachgedacht, während Storm mit Tiger auf der Wii spielte. Wenn sie Angst hatte, jemanden an sich heranzulassen, musste es Luca genauso gehen.
Obwohl sie sich redlich bemühte, schien es ihr nicht zu gelingen, eine neutrale Miene zur Schau zu tragen.
„Er ist ziemlich gerissen. Sein Image in den Medien kultiviert er nur, um Presse für seine Wohltätigkeitsveranstaltungen zu bekommen“, verteidigte Hector seinen Enkel.
Ja, aber hatte er nicht gesagt, dass es nach einer Weile ermüdend war, immer im Licht der Öffentlichkeit zu stehen?
Anfangs hatte sie ihn für einen oberflächlichen Playboy gehalten, war jedoch schnell eines Besseren belehrt worden, als nach und nach sein wahres Ich zum Vorschein kam. Wie es wohl war, ständig im Licht der Öffentlichkeit zu stehen? Sie sah, welche Opfer es von Rockstars forderte. Welche Opfer forderte es von Luca?
„Von krebskranken Kindern bis zu Obdachlosen, er spendet Millionen. Ich bin immer stolz auf den Jungen gewesen.“
Warum hatte Hector das nie erwähnt? Wenn Luca nicht gerade in irgendeiner Zeitschrift abgebildet war, sprach sein Großvater selten über ihn. Und nachdem sie gehört hatte, wie die beiden miteinander am Telefon umgingen, konnte ihr Verhältnis bestenfalls als angespannt bezeichnet werden.
War Luca schuld, weil er niemanden an sich heranließ, nicht einmal seinen Großvater? Eigentlich hätte es sie ein bisschen trösten sollen. Es war nicht nur sie, die Luca nicht an sich heranließ. Er ließ niemanden an sich heran.
War seine Kindheit so schlimm gewesen? Da ihre eigene Kindheit auch nicht gerade ein Zuckerschlecken war, hatte sie Verständnis, doch das machte die Situation nicht leichter. Sie hatte sich in einen Mann verliebt, der Gefühle nicht von einer E-Gitarre unterscheiden konnte.
„Bewundernswert“, meinte sie und fühlte sich zusehends unbehaglich bei dem Thema, als Hector zu ihrer Überraschung seine Brieftasche aufklappte und über den Tisch schob.
„Mein Enkel ist etwas ganz Besonderes.“
Verblüfft, dass Hector ein Foto von Luca in seiner Brieftasche mit sich herumtrug, betrachtete sie das Bild: Luca in Doktorhut und – mantel, sein Lächeln gezwungen, während Hector stolz den Arm um seine Schultern gelegt hatte. Die beiden sahen sich ungeheuer ähnlich, und sie wunderte sich, dass ihr die Ähnlichkeit nicht schon früher aufgefallen war: die kräftige Nase, die wie gemeißelt wirkenden Wangenknochen, das markante Kinn.
„Wann wurde das Foto aufgenommen?“, fragte sie.
„Vor zwölf Jahren.“
Sie verstand nicht, warum er es ihr ausgerechnet jetzt zeigte. Seltsamerweise versetzte es ihr einen Stich. Sie waren nicht nur Chef und Angestellte und Mentor und Protegé, sondern Hector war ihre Familie, und sie wünschte, sie hätte schon früher mehr über Luca erfahren.
„Du fragst dich bestimmt, warum ich dir nie von Luca erzählt habe.“
Sie öffnete den Mund, um zu leugnen, brachte es jedoch nicht fertig. Hector war der Vater, den sie nie hatte, und sie konnte ihn nicht belügen.
„Ein bisschen.“ Als sie sah, wie sehnsüchtig Hector das Foto betrachtete, bekam sie einen Kloß im Hals.
„Weil es nicht viel zu erzählen gab. Wir stehen uns nicht sehr nah.“
„Ich wette, das liegt nicht an dir“, murmelte sie plötzlich aufgebracht.
Hector klappte die Brieftasche zu und ließ sie wieder in seine Tasche gleiten. „Ich fürchte, es war zu spät.“
Was meinte er nun wieder damit? Soweit sie von Luca wusste, hatte Hector ihn sofort akzeptiert, als er von seiner Existenz erfahren hatte. Er hatte seine Ausbildung bezahlt, war, wie man auf dem Foto sah, bei seiner Abschlussfeier gewesen, hatte stets Kontakt gesucht.
Sie wollte schon fragen, was es mit der Bemerkung auf sich hatte, doch als sie Hectors betrübtes Gesicht sah, hielt sie den Mund.
„Ich wollte ein engeres Verhältnis zu ihm aufbauen, aber ich wusste nicht, wie“, murmelte er so leise, dass sie ihn kaum hörte. Tränen brannten in ihrer Kehle, als sie die Trauer in seiner Stimme hörte.
„Ab und zu telefonieren wir, aber irgendwie haben wir uns nicht viel zu sagen. Ich wünschte, es wäre
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