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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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was möglich ist. Aber vorerst gibt es für solche Kerle noch keinen Paragraphen.«
    »Wie bitte?« Nadeshda erhob sich vor Erregung. »Und Unzucht mit Minderjährigen?«
    »Er hat das Kind ja nicht angefaßt«, erklärte ihr der Einsatzleiter kaltblütig. »Außerdem – Exhibitionisten sind nicht gefährlich,
     sie sind nicht aggressiv. Sie laufen lieber schnell weg.«
    »Was heißt nicht gefährlich?!« Nadeshda stand endgültig auf und überragte den sitzenden Milizionär nun drohend. »Ich bin Kinderärztin,
     zuständig für diesen Stadtteil. Gestern wurde ich zu einem Kind gerufen, das nach der Begegnung mit so einem ›Ungefährlichen‹
     einen schweren Asthmaanfall hatte. Und überhaupt – warum sollen sich Kinder so etwas ansehen müssen?«
    »Nun, ich kann Sie natürlich gut verstehen.« Der Milizionär seufzte. »Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Aber es gibt dafür
     keinen Paragraphen. Im Mai haben wir so einen Kerl vor einer Schule gefaßt. Die Kinder hatten ihn identifiziert. Und? Wir
     haben ihm anständig die Fresse poliert und ihn dann laufenlassen. Und er hat Anzeige gegen uns erstattet. Er verlangt Entschädigung
     für den moralischen und physischen Schaden. Keine Sorge, wir werden auch den hier fassen. Doch wir können nicht mehr tun als
     ihm die Fresse polieren.«
    »Was für ein Schwachsinn!« Nadeshda lachte nervös. »Aber bemühen Sie sich trotzdem, ihn zu finden. Wenigstens, um ihm die
     Fresse zu polieren, wenn man sonst nichts weiter tun kann gegen solche Sauereien.«
    Als sie das Revier verließen, stieß Sonja mit dem jungen Mann in Zivil zusammen, der den Diensthabenden gebeten hatte, ihr
     das Foto zu zeigen.
    »Ah, die kleine Detektivin!« Er lächelte freundlich. »Mach’s gut!«
    Sonja lächelte zurück. »Auf Wiedersehen!«
     
    Als die ältere Frau und das Mädchen gegangen waren, schaute der junge Mann noch einmal beim Diensthabenden vorbei und fragte
     ihn leise: »Sag mal, Serjosha, auf wen hatdenn die Kleine da ein Auge geworfen, das hab ich nicht mitgekriegt?«
    »Auf Skwosnjak«, erwiderte der Diensthabende gleichgültig.
    Das große Interesse an Fotos von Verbrechern, nach denen gefahndet wurde, war den Männern nicht neu. Ständig fanden sich Leute,
     die »den da gerade eben gesehen« hatten. Fast immer irrten sie sich. Besondere Wachsamkeit offenbarten halbverrückte alte
     Omas und Opas, seltener Kinder zwischen neun und zwölf wie Sonja. Die Milizionäre betrachteten diese freiwilligen Helfer mit
     Ironie und nahmen sie selten ernst.
    Der berühmte Skwosnjak wurde fast jeden Tag »erkannt«. Sie hatten das Fahndungsplakat mit seinem Foto sogar aus dem Schaukasten
     nehmen müssen, um nicht ständig von freiwilligen Helfern behelligt zu werden. Der gemeingefährliche Verbrecher hatte ein allzu
     durchschnittliches Gesicht. Er sah vielen Leuten ähnlich.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Die mollige kleine Blondine mit dem runden Kindergesicht verdarb Wolodja das ganze Spiel.
    Er hatte gesehen, wie Skwosnjak den rotbraunen Setter der Blondine anlockte und gewaltsam entführte, wie die Blondine zusammen
     mit einem etwa zehnjährigen Mädchen nach dem Hund suchte. Sie liefen bis in die Nacht hinein durch die Straßen und riefen
     laut nach ihm. Dann hatte er den Zettel mit der Mitteilung über den entlaufenen Irischen Setter gesehen. Und bald darauf hatte
     er beobachtet, wie Skwosnjak in einem teuren Anzug die Blondine in ein Restaurant ausführte.
    Wolodja ahnte: Sie ist ein Opfer. Ein potentielles Opfer von Skwosnjak. Er wollte irgend etwas von dieser Frau.
    Sehr schnell fand er heraus, daß die Frau Vera hieß. So hatte seine Großmutter geheißen. Das weiche, runde Gesicht erinnerte
     ihn sogar an alte Jugendfotos seiner Großmutter. Davon wurde Wolodja vollends schlecht.
    Es gelang ihm nie, Skwosnjak allein zu erwischen. Er konnte ihn nicht ständig verfolgen, ab und zu mußte er auch mal schlafen.
     Außerdem gab es Probleme mit seiner Arbeitsstelle. Seinen Urlaub und sämtliche Abbummeltage hatte er längst aufgebraucht.
     Er wurde in die Personalabteilung zitiert und vor ein Ultimatum gestellt: Entweder du arbeitest, wie es sich gehört, oder
     du kündigst. Kündigen wollte er nicht. Er mußte ja von irgendwas leben.
    Wolodja hatte nicht damit gerechnet, daß er so kurz vorm Ziel plötzlich in eine Sackgasse geraten könnte. Er fand einfach
     keine günstige Gelegenheit. Er war schließlich kein professioneller Killer, und die einzige Waffe, mit der er umgehen

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