Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
ich lehne mich an den Türpfosten des hell beleuchteten Büros und beobachte sie. Sie blicken gleichwohl, mal lässig, mal verstohlen zu mir und kommen immer näher, bis sie ihre Runden unmittelbar vor meiner Nase drehen. Einer von denen fährt einen Kreis so, dass er vor mir stehen bleibt und ohne weiteren Übergang fragt er mich unvermittelt:
„Du hast’n toll’n Rucksack. Er hat bestimmt schon viel gesehn?“
„Oh ja, wir beide haben schon einige Meilen hinter uns.“
„Und warste schon in New York? Man sagt, das ist der gefährlichste Platz. Im Harlem schießen die Neger einen am hellichten Tage nieder.“
„Ach Bullenscheiße“ winke ich ihn ab. „Mir hatte man dort nicht mal nachts etwas angetan. Schau die einfachen Menschen, wie du, oder ich, werden auch dort in Ruhe gelassen. Wenn du von den Drogen fern bleibst, ist New York City auch ein ganz toller Ort.“ Ich hole ein paar Fotos und Postkarten über New York City heraus und zeige sie ihm. Da ist er voller Begei sterung und ruft seinen Kumpel.
„Stellt euch vor, dieser Kerl war in New York, auch ganz tief in Harlem. Schaut diese Bilder an!“
Sie schwärmen alle:
„Hier, siehste ein Haufen Photoapparate und Walkmanns in dem Schaufenster!
„Hier, hier! Guck, das gelbe Taxi! Die Limousine hier! viehisch groß...“
Hm, New York ist viehisch weit entfernt von hier. Aber so weit?..
Es ist zehn Uhr abends, die Jungs verduften langsam und ich habe immer weniger Aussicht auf einen Lift. Ich werde langsam mit dem Gedanken warm, dass ich heute Nacht mit dem Greyhound-Bus weiterpirsche. Das hat aber einen Haken: Der Fahrer muss mein „kosmetisiertes“ Ticket ohne Anstand akzeptieren. Ja, es ist offiziell schon seit acht Tagen ungültig. Ein kleiner Trick mit dem Datum, wenn er ihn nicht merkt! Aber, wenn er ihn merkt; kann ich auch morgen noch hier stehen.
Ich setze mich ins Büro zu dem Tankwart. Jimi, der baumlange, schwarzhaarige, spakige Kerl hatte gerade sein Dienst begonnen und quatscht gemütlich mit seinem kräftigerem, aber kleinerem Kumpel, Ted, dessen blonde Strähnen in seinen Nacken peitschen. Das gemeinsame an den beiden sind ihre Baseballmützen, das obligatorische Outfit hierzugegend.
„Wir sind uns schon begegnet“ schmunzelt mir Ted entgegen. Einige Stunden vorher auf der Straße, - ich war der, der das Holz gefahren und dir zugewunken hat. Ich wollte dir zeigen, dass ich nur hier an die Grenze zu Nevada fahre.“
„Nevada?“ wundere ich mich, „wozu braucht man da Feuerholz?“
„Wozu? Wenn du wüsstest, wie kalt die Winternächte in der Wüste sind. Und diese Typen, weil sie dort selber kein Holz haben, zahlen ganz gut für eine Fuhre. Ja, ich lebe davon. Ein-zwei Fuhren am Tag und ich habe meine Tausend Piepen im Monat. Bar auf die Hand, ohne Steuer!“
„Wieso musst du keine Steuer zahlen?“
„Wofür? Was ich bar bekomme, ist reines Geld, davon weißt doch der Staat nicht und ich bin nicht verrückt, es zu melden. Die Regierung verdient sowieso genügend an uns. Die machen mit unseren Geldern, was sie wollen, und nicht was wir wollen.“
Ein Kunde unterbricht uns:
„Ich glaube, mein Keilriemen ist kaputt. Kann jemand mir helfen, den auszutauschen. Hier, ich habe schon einen neuen gekauft.“
Ted krempelt die Ärmel seines rotkarierten Hemdes, zieht den weit nach unten hängenden Boden seine r verschlissenen Levi’s Hose hoch und geht raus ins Kühle.
Die Luft kühlt sich rasant ab. Ich stehe hilfsbereit bei Ted, aber er nimmt meine Hilfe nur soweit in A nspruch;
„Kannste mir den Schraubenzieher bringen! Jimi sagt dir, wo der hängt... Kannste mir bitte den Schlüssel geben, den fünf/sechstel... undsoweiter.
Er verlangt für seine Arbeit am Ende kein Geld.
„Ach, es wär sowieso nicht meine Arbeit, ich hab doch nur Zeit und helfe gerne den Jungs hier.“
Jimi geht, wenn Kundschaft kommt, raus und wischt lässig die Scheiben sauber. Er hat auch Zeit und das gehört zum Tanken. Die Typen können sogar reinkommen und aus einer großen Kaffeekanne, die Jimi ständig voll kocht, kostenlos ihre Thermoskannen füllen, oder nur eine Tasse trinken. Wie sie es wollen. Wenn sie fragen, was das kostet, winkt er bloß ab.
„Ah, das ist d er Service unserer Firma, damit ihr unterwegs nicht einschlaft.“
Ich mache auch regen Gebrauch von diesem Dienst und biete dazu den Jungs von Garys Kuchen etwas an. Sie sind aber bescheiden und nehmen jeder nur ein Stück.
„Du wirst die noch brauchen“ sagt Ted.
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