Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
Vom Netzwerk:
genau
hinsah, erkannte er sogar einen Fußabdruck im Bauschutt.
    Er sah sich den Fußabdruck
genauer an. Studierte das Profil. Scharfe, tiefe Rillen. Ein ausgelatschter
Dissidententreter hinterließ keine solchen Abdrücke. Das musste ein neuer
Stiefel gewesen sein.
    Seine Zielperson!
    Gut, nun kam er voran.
    Er durchkämmte den
Abschnitt. Raum für Raum nahm er unter die Lupe. Hier und dort fand er kleine
Hinweise - durchwühlte Schutthaufen, die Verpackung eines Nahrungsriegels oder
eine leere Wasserflasche. Und dann fand er in einem Raum einen Hinweis, der
deutlicher nicht hätte sein können.
    Der Gestank überfiel ihn
bereits, als er die Tür öffnete. Ein Blick in den Raum bestätigte dann seine
schlimmsten Befürchtungen: Dieser Unmensch hatte den Raum beschmutzt!
    Da lag Stuhl auf dem Boden.
Stuhl!
    Und nicht nur das. Dieser
Unrat hatte auch noch den sauberen Abfall benutzt, um sich damit zu reinigen.
    Diese Entdeckung ließ ihn die
Kinder schlagartig vergessen. Sie ließ ihn alle Dissidenten und alle
Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Bevor er sich bremsen konnte, entfuhr ihm ein
Wutschrei. Er stürmte aus dem Raum und blickte sich wild um.
    „ Wo steckst du?"
    Der Korridor schwieg.
    „ Wo steckst du, du feige
Sau?"
    Auch darauf erhielt er keine
Antwort. Also stürmte er aufs Geratewohl los. Einfach hinein in das Labyrinth.
Unterwegs riss er alle Türen auf und warf flüchtige Blicke in die Räume.
Irgendwo musste sich dieser Unrat verbergen. Er würde ihn aus seinem Versteck
zerren und zurück zu diesem Raum schleppen. Dann würde er die Zielperson
zwingen, ihre eigenen Verdauungsprodukte zu fressen. Bis auf den letzten
Bissen. Und dann würde er sich sehr viel Zeit nehmen um herauszufinden, wie
viele Schmerzen seine Zielperson aushielt.
    Doch dazu musste er den Kerl
zunächst einmal finden.
    Nein, das ging so nicht! Er
konnte nicht einfach von Tür zu Tür rennen und auf einen Glückstreffer hoffen.
Er musste seine Wut in den Griff bekommen und mit System vorgehen.
    Leichter gesagt als getan.
Im Augenblick wollte er nur noch toben. Er wollte toben, toben und nochmal
toben. Er wusste nicht einmal mehr, in welche Richtung er sich wenden sollte.
Es war ihm auch egal. Die Wände standen ihm im Weg herum. Er wollte auf sie
einschlagen. Er wollte diese Wände mit dem Kopf voran rammen, um endlich weiter
zu kommen.
    Er sah nur noch eine
Möglichkeit, bevor er vollständig ausrastete: Er musste das Sichtgerät
benutzen. Die Gefahr, sein Gehirn damit zu überlasten, interessierte ihn nicht.
Dieses Risiko musste er eben eingehen. Im Gegenzug würde der Download den
Wutanfall beenden und er würde die Dinge wieder klarer sehen, wenn er
aufwachte.
    Er nestelte das Kästchen aus
seiner Hosentasche hervor. Dann hob er es vor seine Augen. Er musste nur noch
die Taste drücken und sich von diesem Flackern verschlingen lassen.
    Sein Finger fand den
Druckpunkt der Taste. Er biss die Zähne zusammen und wappnete sich für den
Schmerz.
    In diesem Augenblick hörte
er das Geräusch.
    Er stutzte und ließ das
Sichtgerät sinken. Dann drehte er seinen Kopf, um die Richtung zu bestimmen,
aus der das Geräusch ertönt war. Es hatte sich wie ein Rumpeln angehört, durch
eine Vielzahl von Wänden gedämpft.
    Seine Wut verrauchte von
einem Moment zum nächsten. Er wartete ab und lauschte. Dabei schob er das
Sichtgerät wieder in seine Hosentasche. Einige Zeit verging. Dann … da! Erneut
ein Grollen, irgendwo im Labyrinth. Schwere Waffen. Dauerfeuer. Eine oder
mehrere Selbstschussanlagen. Die gab es in der Tiefgarage, wenn er sich recht
erinnerte.
    Er lachte auf und setzte
sich in Bewegung. Diesmal gab es kein Zögern und keine Vorsicht. Er musste die
Tiefgarage erreichen, bevor eine Selbstschussanlage die Zielperson erledigte.
Das war sein Job. Auf die Unterstützung durch eine Maschine konnte er
verzichten.
    Als das Grollen kurz darauf
erneut ertönte und dabei an Intensität zunahm, beschleunigte er seine Schritte
und rannte durch die Korridore. Was immer die Zielperson auch in der Tiefgarage
veranstaltete - sie hatte damit ein ordentliches Feuerwerk angezettelt.
    Als er die Tiefgarage
erreichte, war bereits seit einiger Zeit Ruhe eingekehrt. Bei dem Gedanken, die
Selbstschussanlagen könnten die Zielperson ausgeschaltet haben, biss er sich auf die Unterlippe. Das Management würde seinen
Auftrag in diesem Fall möglicherweise als Fehlschlag werten. Sie würden sagen,
er habe versagt. Sie würde sagen, ein Versager wie er könne

Weitere Kostenlose Bücher