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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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hier
sei nur die Phantasie irgendeines Überwesens. Nun, dieser Scheißkerl müsste
eine ziemlich kranke Phantasie haben, um sich einen Typen wie mich auszudenken,
findest du nicht?"
    Er konnte dazu nur mit den
Schultern zucken.
    „ Und dann gab es noch die Pessimisten.
Die glaubten, wir seien alle tot und dies hier sei das Jenseits. Irgendein
Leben nach dem Tod. Die Optimisten unter den Pessimisten meinen, dies hier sei
eine Gelegenheit, sich zu bewähren und vielleicht wieder ins Leben
zurückzukehren. Die Pessimisten unter den Pessimisten glaubten, dies hier sei
das endgültige Ende und wir seien dazu verdammt, für immer hier zu existieren.
Meiner Meinung nach ist das Schwachsinn. Wären wir zu einer ewigen Existenz
verdammt, dann würden die Leute hier drin nicht sterben, wenn man ihnen ein
Loch in den Schädel ballert. Und wäre das hier eine Art Bewährungsprobe, dann
würde es nicht so viele Kühe geben, die überhaupt keine Motivation haben, sich
irgendwie hervorzutun. Stattdessen müssten hier überall Männer in Schwarz und
Entsorger herumlaufen."
    Er konnte all diesen
Ausführungen nichts abgewinnen. Der Chef bot nur noch mehr Fragen. Die
Antworten fehlten. Deswegen hakte er nach: „Und was glaubst du, soll das hier
darstellen?"
    „ Keine Ahnung", rief
der Chef mit der Andeutung eines Lachens aus. „Ich habe nicht die geringste
Ahnung. In welche Richtung ich auch nachdenke, ich stoße immer auf irgendwelche
Ungereimtheiten. Man kann es drehen und wenden, wie man will - früher oder
später ist auch die beste Theorie zunichte. Deswegen habe ich aufgegeben,
darüber nachzudenken. Für mich ist es einfach nur ein riesiges Gebäude, in dem
merkwürdige Dinge vorgehen. Für diese Dinge gibt es sicherlich eine ganz
logische Erklärung, doch die kenne ich nicht. Damit muss ich leben."
    „ Und das genügt dir?"
    „ Das genügt mir. Und das
sollte dir auch genügen. Zumindest für den Moment. Bald haben wir nämlich ganz
andere Sorgen, als über dies hier zu sinnieren."
    Er hob in gespielter
Resignation seine Hände. „Ja, ich weiß. Wir kommen bald zu dieser Kriegszone
und müssen dann hellwach sein, damit wir nicht erschossen oder in die Luft
gesprengt werden."
    Der Chef schüttelte seinen
Kopf. „Das stimmt nicht ganz. Im Wesentlichen ging es mir eher um den Typen,
der uns verfolgt und schon ziemlich nah ist."
    Er tappte noch einige
Schritte neben dem Liliputaner her, bis dessen letzte Worte zu ihm
durchgedrungen waren. Dann blieb er wie angewurzelt stehen. „Der
Entsorger?"
    Der Zwerg stoppte ebenfalls.
„Nein, das ist nicht der Entsorger. Das ist jemand anderes. Hör hin."
    Er lauschte. Zunächst
vernahm er nur die typischen Geräusche des Kellers - Wassertropfen, die
gelegentlich in Pfützen platschten. Dann hörte er die Schritte. Jemand stampfte
im Laufschritt durch die Korridore und nahm dabei keinerlei Rücksicht auf den
Lärmpegel. Dieser Jemand hatte es offenbar eilig, die Gruppe einzuholen.
    „ Zum Donnerwetter nochmal,
wer rennt uns denn da hinterher?"
    Der Chef zuckte mit den
Schultern. „Keine Ahnung. Das kann eigentlich nur jemand aus der Siedlung sein.
Ich wüsste allerdings nicht, wer so verrückt ist, uns ohne Karten zu
folgen."
    Er sah dem Chef in die
Augen. Dabei wusste er genau, woran der Liliputaner gerade dachte. Er sprach es
aus: „Schnappen wir uns den Kerl."
    Der Chef grinste. „Genauso
machen wir das." Dann rief der Chef das Panzerchen und die Kleine mit
gedämpfter Stimme zu sich. Er befahl ihnen, um den nächsten Knick im Korridor
zu verschwinden und dort abzuwarten. Dann deutete der Liliputaner auf zwei
beinahe gegenüber liegende Türen.
    „ Ich gehe links in Stellung,
du rechts. Wir warten, bis der Kerl auf unserer Höhe ist. Dann holen wir ihn
von den Beinen. Nur Fäuste und Klingen. Keine Kanonen. Sonst knallen wir uns
gegenseitig ab."
    Er nickte. „Alles
klar."
    Er zog sich in den linken
Raum zurück. Dort legte er seinen Rucksack und sein Sturmgewehr ab. Dann bezog
er neben der Tür Stellung und wartete ab. Die Tür ließ er einen Spalt geöffnet. Seine rechte Hand ruhte auf dem Türgriff.
    Draußen näherten sich die
Schritte. Wer immer auch den Korridor entlang stürmte, er hatte es wirklich
eilig. Als die Gestalt sich schließlich bis auf wenige Schritte genähert hatte,
vernahm er deren Stimme. Sie wiederholte bei jedem Schritt ein- und dasselbe
Wort: „Schnell-schnell-schnell-schnell!"
    Verdammt, diese Stimme hatte
er doch schon einmal gehört. Aber

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