Kells Legende: Roman (German Edition)
versuchen, ihre Blutöl-Magie einzusetzen, dann warten in Alt-Skulkra ein paar nette Überraschungen auf sie.«
Die feindlichen Schlachtreihen auf der anderen Seite des noch jungfräulichen Schlachtfeldes teilten sich, und etliche Gestalten schienen zwischen den schwer bewaffneten Truppen hervorzugleiten, noch während Leanorics Hauptleute die Kampf-Karrees vor den zerstörten Mauern von Alt-Skulkra organisierten. Die Gestalten waren viel zu groß, als dass es sich um Menschen hätte handeln können, und sie trugen weiße, mit Gold bestickte Roben. Sie hatten flache, ovale und vollkommen haarlose Gesichter, winzige schwarze Augen und Schlitze, wo Nasen hätten sein sollen. Nachdem sie vor die Eiserne Armee getreten waren, blieben sie stehen und betrachteten Leanorics Divisionen.
»Schnitter«, sagte Kell leise. Seine Augen waren hart wie Stein.
Dann drang ein Heulen durch die Luft, gefolgt von bösartigem Knurren und Grollen; die feindlichen Schlachtreihen teilten sich noch weiter, als man die Canker nach vorne brachte. Man hatte sie aus ihren Käfigen geholt, und sie alle waren angekettet, wurden jeweils von fünf bis zehn Männern gehalten. Sie zerrten an ihren Ketten, hoben ihre missgestalteten Köpfe, während Speichel und Blut über ihre riesigen Reißzähne troff, derweil sie um sich schlugen und fauchten, jaulten und brüllten, gegenseitig nach sich schlugen und schnappten, während sie sich mit ihren mächtigen, muskulösen und löwenartigen Körpern vor den Infanterieabteilungen aufstellten, in einer langen, unregelmäßigen und kaum zu kontrollierenden Reihe.
Leanoric erbleichte und schluckte. Er spürte, wie seine Soldaten von einer kalten Furcht gepackt wurden. »Angerak hat kein einziges Wort von diesen Bestien gesagt«, erklärte er unglaublich leise, während er die leibhaftigen Albträume auf der anderen Seite des Schlachtfeldes musterte, die brüllenden, um sich schlagenden Canker …
Sie hörten ein Kommando über die gefrorene Ebene hallen.
Dann wurden die Canker plötzlich von der Leine gelassen, die Ketten klirrten, und mit einem grauenvollen Heulen von blutrünstiger Vorfreude und Gier griffen tausend muskulöse Bestien aus missgestalteten Körpern und pervertierter Mechanik an, galoppierten brüllend über den gefrorenen Boden … auf Leanorics furchterfüllte Armee zu, die sich gerade erst in Schlachtordnung aufgestellt hatte.
14
SANKTUM
Anukis fauchte und griff den Schnitter an, der langsam, beinahe träge zuschlug und dennoch Anukis mit diesem für sie nicht sichtbaren Schlag zur Seite schleuderte. Sie rollte über den Boden, sprang zischend hoch und umkreiste den Schnitter, diesmal etwas vorsichtiger. Der3 bog seine knochigen Finger und senkte den Kopf. Seine schwarzen Augen funkelten. Hinter der Kreatur kroch Alloria zurück zu der am Boden liegenden Gestalt von Vashell, in eine höchst trügerische Sicherheit.
Der Eisrauch wurde dichter.
Anukis griff erneut an. Diesmal reagierte der Schnitter schnell und riss die Arme hoch, als Anukis’ Klauen hinabfuhren. Der Schnitter schlug nach ihr, aber sie duckte sich, rollte sich wiederholt rasend schnell über den Boden, und ihre Krallen zerrissen seine Robe und die blasse Haut darunter. Haut und Muskeln wurden durchtrennt, aber kein Blut trat aus.
Anukis rollte sich von dem Schnitter weg, sprang auf; ihre Augen glühten wild, alle Menschlichkeit und selbst die Intelligenz der Maschinenwesen schienen aus ihnen verschwunden zu sein, als etwas anderes ihre Seele und ihr Wesen kontrollierte und sie in einen primitiven Zustand zurückfiel.
»Sie hat die Kreatur verletzt«, flüsterte Vashell fassungslos. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Der Schnitter schüttelte seine Robe ab und enthüllte einen nackten, geschlechtslosen, fahlen weißen Körper, der vereinzelt von Büscheln dichten, schwarzen Haares bedeckt war wie bei einer dicken Spinne. Seine Beine waren lang, und die Gelenke funktionierten andersherum, wie bei einer Ziege, nicht wie bei einem Menschen. Seine festen Muskeln zuckten unter seiner fast durchscheinenden Haut.
Die Kreatur bewegte sich schnell, sehr schnell, griff Anukis mit springenden Schritten an, und ihre knochigen Finger pfiffen durch die Luft. Anukis schlug einen Purzelbaum rückwärts, sprang hoch, zischte, entblößte ihre Reißzähne, sprang dann erneut auf den Schnitter zu, um ein weiteres Mal zurückgeschleudert zu werden. Sie rutschte über das gefrorene Gras und wäre fast in den träge dahinfließenden
Weitere Kostenlose Bücher