Keltengrab: Thriller (German Edition)
man mir gezeigt, als ich hier Äbtissin wurde, deshalb kenne ich den Inhalt. Das Original war natürlich Lateinisch.« Sie schloss die Augen und begann, aus dem Gedächtnis zu zitieren: »›Allen guten Christen sei kundgetan, dass ich diese Ländereien und die Felder, Wälder, Gewässer, Mühlen und Fischgründe darauf vollständig, ganz und für alle Zeiten, zu jedwedem Zweck, der ihnen angemessen scheint, dem Kloster St. Margaret und den Nonnen, die dort Gott dienen, geschenkt habe, damit sie diese in frankalmoign bewahren, befreit von allen weltlichen Forderungen. ‹«
Finian hatte ins Schwarze getroffen.
»Frank Traynor muss geglaubt haben, dass er diese Rechte ebenfalls erwerben konnte«, bemerkte ich.
»Das mag sein. Die rechtlichen Einzelheiten des Kaufvertrags sind mehr das Gebiet der Finanzverwalterin als meines. Aber eines ist sicher …« Sie beugte sich vor, schlug mit der Handfläche auf den Schreibtisch und sah mich durchdringend an. »Wir haben nie einem Hotel in Monashee zugestimmt.«
Sie lehnte sich rasch zurück, als müsste sie eine Störung in ihrer Körpersprache korrigieren. »Anderswo in der Gegend, ja, aber nicht auf einer Wiese gegenüber von Newgrange. Es ist nicht so, dass wir keinen Kontakt zur Welt außerhalb dieser Mauern hätten. Dieser Teil des Boyne Valley ist Schutzgebiet, und zwar zu Recht. Und ich werde an …« – sie wählte das Wort sorgfältig – » Einfluss aufbieten, was ich kann, um unseren Standpunkt zu bekräftigen.«
Ich bemerkte nun einen goldenen Ring an ihrem Finger. Eine Braut Christi? Noch interessanter war jedoch das Aussehen ihrer Fingernägel. Sie waren sorgfältig manikürt und schimmerten wie die Innenseite einer Muschel. Schwester Campion, vermutete ich, ließ sich ganz gern ein bisschen verwöhnen.
Die Äbtissin erhob sich. »So, ich muss mich nun leider von Ihnen verabschieden. Die Pflicht ruft.«
»Ja, natürlich. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Was hatte sie eigentlich versprochen? Ich war mir nicht sicher, ob es viel wert war. »Nur eine Frage noch …« Sie stand bereits in der Tür und hielt sie mir auf. »Mr. Traynor schien es sehr eilig zu haben. Können Sie sich vorstellen, wieso?«
»Nein«, sagte sie und schob mich in den Flur.
Wir hatten die Eingangshalle erreicht, als Schwester Roche die Treppe heruntergerannt kam und uns abfing. »Martha Godkin ist an irgendeiner Infektion erkrankt. Neununddreißig Fieber. Sie verlangt nach einem Arzt, aber ich sagte …«
Die Äbtissin hatte die Hand gehoben, um sie zum Schweigen zu bringen. »Einen Moment, Ursula.« Sie sah verärgert aus. »Ich verabschiede mich nur eben von …«
»Illaun«, ergänzte ich für sie.
»Illaun, richtig.« Sie ließ Schwester Roche in der Halle stehen und führte mich zur Tür. »Auf Wiedersehen, hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen.«
»Eins noch schnell, bevor ich gehe, Schwester, ich bin neugierig – wer war die heilige Margareta von Antiochia?«
»Eine jungfräuliche Märtyrerin aus dem 4. Jahrhundert. Weigerte sich, mit einem römischen Beamten zu schlafen, der sie daraufhin an die Behörden verriet. Man versuchte erfolglos, sie zu verbrennen und zu Tode zu sieden, deshalb hat man sie am Ende geköpft.« Die Äbtissin öffnete die Tür. Draußen war es dunkel.
Ich hatte noch eine Frage. »Und das Motto über dem Tor, irgendetwas von einem Kreuz und einem Drachen?«
»La croix du dragon est la dolor de déduit? – Das ist wiederum die heilige Margareta. Die Worte erscheinen am Eingang aller unserer Häuser seit der Zeit der Normannen. ›Das Drachenkreuz ist der Lust Pein‹, wie wir es übersetzen. Ich glaube, das Wort ›déduit‹ taucht zuerst im Roman de la Rose auf. Es bezieht sich natürlich auf sexuelle Lust.« Sie sagte es auf eine Weise, die nahe legte, dass mir diese Tatsache zweifellos bekannt war.
Ich nickte. »Natürlich. Und was ist mit dem Drachenkreuz gemeint?«
»Der Legende nach wurde die heilige Margareta vom Teufel in Gestalt eines Drachens geschluckt, aber sie stach mit einem Kreuz, das sie trug, in seine Eingeweide, so dass er sie unversehrt und in einem Stück wieder ausspuckte. Von daher wurde Margareta die Schutzheilige von Wehen und Geburt. Das klingt heute reichlich kurios, wenn auch ein bisschen makaber.«
Eine Jungfrau als Schutzheilige der Schwangeren? Immerhin erinnerte es mich an etwas, das ich hatte zur Sprache bringen wollen. Ȇbrigens hat man neben der Frau in Monashee noch eine zweite Leiche
Weitere Kostenlose Bücher