Keltengrab: Thriller (German Edition)
Innere der Abtei eher an eine bankrott gegangene Institution als an ein Kloster.
Was hattest du erwartet? Ein luxuriöses Gästehaus? Ich musste einräumen, dass ich sie mir wohlhabender vorgestellt hatte. Sei ehrlich – du hast diese Nonnen für geldgierig gehalten. Das stimmte; aber jetzt machte mir etwas anderes mehr Kopfzerbrechen. Ich konnte nur den Finger nicht darauf legen.
Ich schaute mich noch einmal in dem Zimmer um. Und dann hatte ich es: Abgesehen von diesem Bild an der Wand, gab es im ganzen Wohngebäude der Grange Abbey nichts, was einen vermuten ließe, dass es sich um eine irgendwie religiöse Einrichtung handelte.
Ich stand auf, um das Foto genauer zu betrachten. Es sah aus, als sei es erst vor kurzem aufgenommen worden, und zeigte zwei Reihen lächelnder Frauen in grauer Kleidung, ein rundes Dutzend insgesamt, die meisten in den Dreißigern, manche asiatischer oder afrikanischer Herkunft – der typische ethnische Mix eines modernen religiösen Ordens. Und sie standen auf genau den Stufen, die ich vor wenigen Minuten hinaufgegangen war. Wieder einmal deckten sich meine Spekulationen nicht mit der Realität. St. Margaret war eine zwar kleine, aber blühende Gemeinschaft.
Dann fiel mir auf einem der Aktenschränke ein Gegenstand auf: das winzige, auf einen Sockel montierte Skelett eines Tieres. Es stand halb aufgerichtet auf zwei dünnen Beinen, sein auffälligstes Merkmal war jedoch der Schädel: Die Knochen krümmten sich über den leeren Augenhöhlen nach außen wie die schlaffen Blütenblätter einer Tulpe, deren Zeit um ist. Es sah aus wie ein Miniatur-Alien.
Ein Klopfen an der Tür ließ mich meinen Platz wieder einnehmen. Ich drehte mich um, als die Tür aufging und eine Nonne den Kopf hereinsteckte. »Wohin ist sie denn jetzt wieder gegangen?«, fragte sie gebieterisch. Haar wie Stahlwolle lugte unter dem Schleier hervor. In vielerlei Hinsicht war das Gesicht dem von Geraldine Campion ähnlich, aber es wirkte mehr wie eine grobe Skizze des Originals. Und sie trug eine randlose Brille.
»Äh, sie sagte etwas von Anordnungen treffen«, antwortete ich schüchtern. Ein Rückfall in meine Schulzeit, als ich von Nonnen wie ihr unterrichtet wurde.
Die Frau seufzte schwer. »Das ist doch alles schon erledigt.« Dann fügte sie erkennbar gereizt hinzu: »Warum überlässt sie es nicht einfach mir?«
Ich fühlte mich schuldig. Als hätte ich mich mit der Äbtissin verbündet, um dieser Frau das Leben schwer zu machen.
Die Nonne knallte die Tür zu, dass ich zusammenfuhr. Das musste die Finanzverwalterin sein, vor der mich Gallagher gewarnt hatte. Ich verstand nun, wieso.
Während der nächsten Minuten lauschte ich angestrengt, während Stimmen in den Tiefen des Klosters einander hin und wieder etwas zuriefen. Ich verstand nicht, was sie sagten, aber nach kurzer Zeit verklangen sie, und ich hörte erneut das Quietschen der Gummisohlen auf dem Parkett.
Die Äbtissin trat ein und schritt entschlossen auf ihren Schreibtisch zu. Nachdem sie anmutig auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte, beugte sie sich vor, holte tief Luft und sagte: »Entschuldigen Sie noch einmal. Eine Verwaltungsangelegenheit. Eine religiöse Gemeinschaft zu führen, wie klein sie auch sein mag, ist nicht immer ganz unproblematisch.« Sie lehnte sich zurück. »Aber nun kann ich Sie meiner vollen Aufmerksamkeit versichern.«
»Danke. Wie viele sind Sie hier, nur interessehalber, und spreche ich Sie mit Schwester oder Mutter an?«
»Schwester ist in Ordnung. Es sind genau zehn, dazu ich und Schwester Roche, Ursula, meine ich. Ich glaube, sie hat Ihnen schon einen Besuch abgestattet.« Ihr Lächeln ließ durchblicken, dass wir beide dieselbe Schwester Roche meinten. Ich nickte, nahm aber ihre Einladung zu einem Grinsen nicht an. Ich war eine Fremde. Was sie auch für Differenzen haben mochten, die beiden standen einander näher als ich einer von ihnen.
»Wegen Monashee«, begann ich. »Ich nehme an, Sie wissen, dass dort am Donnerstag die Leiche einer Frau gefunden wurde. Im Torf konserviert.«
»Ja, ich habe davon gehört. Aus der Vorzeit, glaube ich. Hat Frank jedenfalls gesagt.«
»Frank Traynor?«
»Frank und ich waren alte Freunde. Aus diesem Grund haben wir auch Geschäfte mit ihm gemacht. Aber nun zu dieser Leiche, die man ausgegraben hat …«
Ich fragte mich, ob Schwester Campion wusste, wie Traynor getötet worden war. »Wir wissen noch nicht genau, wie alt sie ist. Wenn sie so alt ist, wie ich hoffe, könnte sie
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