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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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da.«
    »Hallo, Nora«, erwiderte er, blieb breitbeinig stehen und popelte mit der Zungenspitze in seinen Zähnen herum, während er nachdachte. »Was ist bei euch los?«, fragte er schließlich.
    Sie riss die Augen auf. Eine noch schlechtere Lügnerin als ihr Mann.
    »Wieso? Was soll bei uns los sein?«
    »Deine Kinder – mit wem waren die vorgestern beim Arzt? Bei Doktor Lacher, um genau zu sein.«
    Sie blinzelte nervös. »Keine Ahnung. Eigentlich gehen wir gar nicht mehr zu Doktor Lacher.«
    »Ach ja?« Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß er die Haustür auf, schob die völlig überrumpelte Nora beiseite und stapfte mitten in den Flur. »Wo sind deine Kinder? Ich will sie sprechen.«
    »Lothar, bitte … Sie sind nicht da. Sabrina ist mit einer Freundin fort, und Thilo ist auf einer Beerdigung …«
    »Nora, verdammt noch mal, was geht hier vor?!« Er schrie es mit einer wütenden Lautstärke, die ihn selber überraschte. Er sah Entsetzen auf ihrem Gesicht, und es tat ihm leid, aber er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Sie machte hastig die Haustür zu, machte wirklich und wahrhaftig die Haustür zu, als sei das hier ein Ehestreit, von dem die Nachbarn nichts mitkriegen sollten! Sein Brustkorb pumpte wie verrückt. Alles an ihm schien zittern zu wollen. Das war doch sinnlos, was wusste denn sie von dem, was Wolfgang zu verbergen hatte? Aber er konnte sich nicht mehr bremsen, fegte den Flur entlang, sah die Treppe hoch, drehte um und rauschte wieder zurück. Irgendetwas ging hier vor, ja.
    »Lothar …!«, hörte er sie wispern. Hörte die Angst in ihrer Stimme. »Bitte …!«
    »Sag mir, was hier vor sich geht!« , beharrte er. Sein Blick fiel auf die Tür zu Wolfgangs Arbeitszimmer. Wahrscheinlich war dort zu finden, was er suchte, die Antwort, des Rätsels Lösung …
    Aber da wurde eine andere Tür aufgeschoben, die Tür zum Wohnzimmer. Lothar fuhr herum. Und erstarrte, als er eine Gestalt erblickte, wie er sie noch nie gesehen hatte.
    Dorothea Weinmann langweilte sich. Sabrina war schon über zwei Stunden weg. Worum es bei der ganzen Sache ging, hatte sie nicht sagen wollen. Was wahrscheinlich hieß, dass es um einen Mann ging, den sie ihrer Sammlung einverleiben wollte. Jedenfalls war weit und breit nichts von ihr zu sehen, und so hockte sie nun hier im Auto, rauchte eine Zigarette nach der anderen, drehte das Radio von einer Station zur nächsten und langweilte sich.
    »Das kann sie mir nicht antun«, erklärte sie der Windschutzscheibe. »Mich die Nacht über hier im Wagen warten lassen.«
    Sie versuchte, einen Rauchring zu blasen. Wenn sie wenigstens etwas zum Lesen mitgenommen hätte!
    »Nein«, fügte sie hinzu. »Wenn es dunkel wird, fahr’ ich heim. Dann kann sie sehen, wo sie bleibt.«
    Mann, war das langweilig hier!
    Ihr fiel ein, dass ihr Vater sauer sein würde, wenn das Auto noch tagelang nach ihren Ziggies stank. Vielleicht besser, sie machte die Tür eine Weile auf. Ein bisschen frische Luft konnte auch nicht schaden. Sie zog ihren knallroten Parka an und stellte die beiden Vordertüren auf Durchzug.
    Eine öde Gegend, wirklich. Kalte, kahle Felder ringsum, teilweise noch verschneit. Krüppelige Bäume. Und eben dieses mickrige Dorf dahinten. Warum war Sabrina dagegen gewesen, in den Ort hineinzufahren? Vielleicht hätte es dort ein Café oder so was gegeben, wo sie hätte warten können auf Madame Geheimnisvoll.
    Ein alter Mann und ein kleiner Hund kamen den Feldweg entlang auf sie zu. Aus der Entfernung war schwer zu sagen, wer von beiden eigentlich wen ausführte. Der Hund wuselte herum, schnüffelte und witterte und stöberte in den Ackerfurchen, zwischendurch lief er aber immer wieder zu seinem Herrchen zurück, als müsse er es daran erinnern, weiterzugehen.
    Ein süßer Hund. Als er näher herankam, ging Dorothea in die Hocke und versuchte, ihn heranzulocken. Sie konnte gut mit Tieren. Er kam bis auf zwei Armlängen heran und betrachtete sie dann abwartend aus klaren braunen Knopfaugen. »Na, du?«, gurrte Dorothea. »Was bist denn du für einer, hmm? Sag mal, wie heißt denn du?«
    Der Hund legte nur den Kopf schräg, sie weiter unverwandt anstarrend.
    Der Alte kam herangeächzt. »Der mag dich, was?«, rief er ihr zu.
    »Ja? Sieht so aus!«, rief sie zurück. Es behagte ihr nicht, gleich geduzt zu werden, aber da konnte man wohl nichts gegen tun. »Wie heißt er denn?«
    »Bundeskanzler«, sagte der alte Mann und trat neben seinen Hund, der bekräftigend bellte. Eine Wolke

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