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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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unaussprechlichen Körpergeruchs senkte sich auf sie nieder wie der Fallout eines explodierten Klärwerks. Dorothea hielt erschrocken die Luft an, stand schnell auf und machte einen Schritt zurück, aus dem unmittelbaren Katastrophengebiet hinaus.
    »Bundeskanzler?«, wiederholte sie und versuchte zu lächeln. »Ein ungewöhnlicher Name für einen Hund.«
    Der Mann sah sie aus wässrigen Säuferaugen an. »Ja«, meinte er in seinem schwer verständlichen Dialekt. »Das sagt jeder.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Dorothea sah sich um. Wenn er aufdringlich wurde, konnte sie sich jedenfalls mit einem Satz in den Wagen in Sicherheit bringen.
    »Suchen Sie auch was?«, wollte der Alte wissen und hauchte eine geballte Bierdunstschwade in ihre Richtung.
    »Nein«, sagte Dorothea mit angehaltenem Atem. »Ich warte hier nur auf eine Freundin.«
    Er schien sich nicht für das zu interessieren, was sie sagte, sondern beugte sich mühsam zu seinem Hund hinab, um ihn zu streicheln. »Es sind eine Menge Leute unterwegs, die hier was suchen«, meinte er. »Aber der Bundeskanzler und ich, wir haben es gesehen. Ja, nicht wahr, mein Kleiner! Wir haben es gesehen, ja. Wie es vom Himmel gefallen ist. Mitten auf die Scheune vom Brunnenwirt, gell?« Er lachte zahnlos. »Hat der sich vielleicht geärgert!«
    Dorothea lächelte höflich mit. Konnte sie den Verrückten einfach stehen lassen und zurück ins Auto steigen? Oder gehörte sich das nicht?
    »Dort hinten ist es runtergekommen, das Ding«, drückte der alte Suffkopf ihr seine Schauergeschichte rein, wedelte mit den Armen, dass sich sein Gestank in alle Richtungen verbreitete. »So vom Himmel runter – krach, zack. Dort rein, durchs Scheunendach. Ja, so war das.«
    Sie erkannte undeutlich eine Art Schober in der Richtung, in die er deutete, und nickte unbehaglich. »Verstehe«, brachte sie hervor.
    »Dann ist einer gekommen, der hat den mitgenommen, der drinsaß. Den kannte keiner, aber jetzt ist er wieder da.« Er rollte die Augen und schnaubte dazu, brummte was in seinen Bart, das sie nicht verstand. »Und der Brunnenwirt hat das Ding fortgeschafft in seinen Rübenkeller. Der ist dort hinten, siehst du? Vor dem Haus mit dem blauen Dach? Siehst du’s?«
    »Ja«, beeilte sich Dorothea zu versichern. Er sah ganz so aus, als würde er ihr näher auf die Pelle rücken, wenn sie nicht sah, was er ihr zeigte. Außerdem sah sie das Haus mit dem blauen Dach, es war unübersehbar.
    »Ein blaues Dach, also wirklich«, brabbelte er. »Was die heutzutag’ für Zeug bauen …«
    Dann stand er eine ganze Weile gedankenverloren da. Sein Hund fing wieder an zu schnüffeln und zu schnuppern.
    »Ich … ähm … steig’ dann mal wieder ein …«, sagte Dorothea, während sie sich behutsam Richtung Wagen bewegte. Er reagierte nicht, auch nicht, als sie ins Auto kletterte und beide Türen von innen zuzog. Geschafft! Nicht genug, dass hier Einöde war, es liefen auch noch Verrückte frei herum. Sie ließ sich aufatmend in ihren Sitz sinken und gelobte, im Wagen sitzen zu bleiben, bis Sabrina zurückkam.
    Der Alte schien sie völlig vergessen zu haben. Sein Hund stupste ihn an, und er setzte sich wieder in Bewegung, weiter den Feldweg entlang. Dorothea kurbelte die Scheibe einen Spaltbreit herab, um zu hören, was er vor sich hin schwatzte.
    »Früher hat man rote Ziegel g’habt, und’s hat auch g’hoben. Aber heut’ müssen sie blaue Ziegel aufdecken. Eine verrückte Zeit …«
    Diesmal war es umgekehrt. Diesmal war es Kelwitt, der sie beobachtete und sich Sorgen machte. Sie lächelte ihn an, so gut sie konnte. Vielleicht verstand er das. Wahrscheinlich nicht. Arg gut war ihr Lächeln sicher gerade auch nicht.
    »Er ist nicht da«, brachte sie heraus, während sie das Telefon mit bebenden Händen zurück auf die Ladestation legte. Es klapperte richtiggehend, als sie auflegte. »Seine Sekretärin sagt, er hilft im Versand mit beim Packen.«
    »Du hast keine Kommunikationsverbindung zu ihm aufbauen können«, meinte der Außerirdische.
    Nora nickte. »Er will als Chef Vorbild sein, weißt du? Er ist sich für nichts zu schade. Ich glaube, er macht das wirklich großartig.« Ihr Blick wanderte umher, fand nirgends Halt. »Ja, er macht es großartig. Wirklich großartig.«
    Kelwitt machte eine seiner Gesten. »Wer war der Erdbewohner, der so laut gesprochen hat?«
    »Ein Freund von uns. Von Wolfgang.«
    »Er hat mir viele Fragen gestellt. Ich habe nicht alles verstanden, was er gefragt hat. Ich bin

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