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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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wird man eine weite Reise machen. Wenn die Figur eher einem Geldstück ähnelt, verheißt das Reichtum. Und so weiter.«
    »Und dafür habt ihr auch ein Buch.«
    »Nein. Das macht man intuitiv.«
    »Intuitiv?«
    »Das heißt, dass man sich selber überlegt, was die Figur zu bedeuten hat.«
    »Man deutet selber?«, wunderte sich Kelwitt. »Und das gilt?«
    »Ja, klar. Das ist sogar bestimmt besser, als wenn man sich nach einem Buch richtet. Ich meine, in so einem Buch kann ja unmöglich alles drinstehen.«
    Das gab ihm mächtig zu denken. Er machte eine Reihe von sanften Bewegungen mit seinen Händen und seinen sich schlangengleich windenden Fingern. »Ich muss die Zeichen selber deuten«, erklärte er schließlich und breitete die Arme aus in einer seiner alles umschließenden Geste. Man hatte den Eindruck, dass ihm gerade eine epochale Erkenntnis gekommen war. »Ich muss selber herausfinden, was das, was mir hier zustößt, bedeutet. Das kann nicht alles in einem Buch stehen.«
    Montagmittag, und immer noch niemand, der sich um sein Scheunendach kümmerte. Es war doch immer dasselbe mit diesen Regierungen, nur große Sprüche, aber kein Verlass auf nichts. Wenn man sich nicht um alles selber kümmerte und Druck machte, passierte nichts.
    »Jetzt ruf’ ich an!«, erklärte der Brunnenwirt der Wand seines Büros und legte das Gesicht in grimmige Falten.
    Die Frage war nur, wo. Der Mann, der da so unverhofft an der Scheune aufgetaucht war und das seltsame Lebewesen mitgenommen hatte, hatte ja keine Visitenkarte dagelassen, nur eine Marke vorgezeigt oder einen Ausweis oder was immer das gewesen war, er hatte nicht so genau hingeschaut. Wie in diesen amerikanischen Filmen jedenfalls.
    Geheimdienst. Er hatte was von Geheimdienst gesagt.
    Der Brunnenwirt öffnete die Schublade seines Schreibtischs und zog das Plastiketui einer CD-ROM hervor, die alle Telefonnummern Deutschlands gespeichert enthielt und die er schon manches Mal gut hatte brauchen können, wenn es darum gegangen war, einen Gast zu erreichen, von dem man nicht die vollständige Adresse hatte oder dergleichen. Man konnte auch einfach eine Telefonnummer eingeben, und das Programm sagte einem, wem die Nummer gehörte. Das war auch sehr praktisch.
    Den PC hatte ihm sein Neffe besorgt und eingerichtet. Der war ein Teufelskerl mit Computern. Ihm war das Gerät immer noch ein bisschen unheimlich, vor allem, weil es manchmal ein störrisches Eigenleben zu entwickeln schien, aber für Buchhaltung und dergleichen war es schon sehr nützlich.
    Er legte die CD-ROM ein, startete das Suchprogramm und gab als Namen ein: »Geheimdienst«.
    Da fand sich nichts. Ein Geheimes Staatsarchiv war angeboten, aber das war sicher nicht, was er suchte. Naja, war wohl ein bisschen viel erwartet gewesen …
    Moment mal. Ganz falsch. Der deutsche Geheimdienst hieß Bundesnachrichtendienst. Das las man ja immer in der Zeitung. Genau. Tippen wir das mal ein.
    Und dann stand es plötzlich da. Bundesnachrichtendienst. Mit Adresse und Telefonnummer. Einfach so.
    Der Brunnenwirt starrte ungläubig auf den Bildschirm. Das hatte er nicht erwartet. Im Grunde hatte er bis jetzt nicht geglaubt, dass diese Institutionen außerhalb von Spionageromanen und Spielfilmen tatsächlich existierten. Ihn gruselte plötzlich, und er beendete das Programm rasch, nahm die CD aus dem Laufwerk und stopfte sie hastig zurück in die Schublade.
    »Das nennt ihr ein Hochhaus, nicht wahr?«, fragte Kelwitt und deutete auf eine der zahlreichen Siebziger-Jahre-Bausünden, die diesen Stadtteil überschatteten.
    »Ja«, nickte Sabrina.
    »Und das ist tatsächlich eine Art Nestbau für eine große Anzahl kleiner Schwärme wie den euren?«
    »Wir sagen Familie dazu.«
    Sie saßen am offenen Fenster und schauten hinaus. Draußen herrschte das typische undefinierbare Vorweihnachtswetter, das immer unentschlossen zwischen Kälte, Regen, Nebel und trügerischem Sonnenschein schwankte. Die Kälte schien Kelwitt nichts auszumachen; Sabrina hatte ihren Parka angezogen.
    Vom unteren Ende der Straße kam langsam eine Frau hochgeradelt, was Kelwitt mit unverkennbarem Interesse beobachtete.
    »Fahrrad«, erklärte er. »Fortbewegung mit Muskelkraft.«
    Es war Frau Lange, die am Ende der Straße wohnte und einmal ihre Lehrerin gewesen war. Aus irgendeinem Grund sah sie hoch, entdeckte Sabrina und winkte ihr zu.
    Sabrina winkte lahm zurück.
    Kelwitt winkte ebenfalls.
    Frau Lange winkte ihm gleichfalls zu und bog dann in die Querstraße

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