Kelwitts Stern
der Luft, hell glänzend im Licht des großen Mondes, dessen linke Hälfte im Dunkel lag.
»Tik?«, sagte Kelwitt leise.
»Ich bin bereit«, kam ohne Zögern die Antwort.
»Ich würde gern wieder hinausgehen. Ich meine – ich kann doch nicht auf einem Planeten landen und dann nur ein Graslager, ein paar Fahrstraßen und ein einziges kleines Nest sehen! Und ansonsten nur Bücher lesen … Zum Beispiel würde ich gern diesen Niagarafall sehen. Das stelle ich mir beeindruckend vor. Meinst du, das ließe sich machen?«
»Da dir kein funktionsfähiges Raumboot mit eigenständiger Landevorrichtung zur Verfügung steht, bräuchtest du hierfür die Hilfe der Planetenbewohner.«
»Wieso? Wie weit ist es bis dahin?«
»Etwa neunhunderttausend Distanzeinheiten.«
»Neunhunderttausend …!« Kelwitt stieß einen Laut der Überraschung aus. »Das ist ja auf der anderen Seite des Planeten!«
»Korrekt.«
»Brack! Da lande ich einmal im Leben auf einem anderen Planeten – und erwische ausgerechnet den uninteressantesten Punkt darauf.«
»Grundsätzlich ist von ausgedehnten Erkundungen der Planetenoberfläche ohnehin abzuraten. Daher ist es gleichgültig, wo du gelandet bist.«
»Ja, ja«, sagte Kelwitt missmutig. »Ich verstehe schon.« Immer das gleiche Thema, wieder und wieder wie Ebbe und Flut. Er war ohne Erlaubnis und Zulassung auf einem fremden Planeten gelandet, auf einem sich noch in Isolation befindlichen zumal, und je weniger Kontakt er mit den Bewohnern aufnahm, desto besser. Tik wurde nicht müde, diesen Sermon immer aufs Neue zu wiederholen.
Natürlich hatte der Spangencomputer damit recht. Die Sternfahrer würden ihm ganz schön die Strudel wirbeln deswegen. Und er durfte auch den Planetenbewohner nicht vergessen, an dessen Tod er womöglich schuld war. Auf Jombuur hätten ihn deswegen die Fahrenden Wächter verfolgt, die die Regeln und Gesetze der Gemeinschaft lehrten, ihre Einhaltung überwachten und Verstöße bestraften. In einem der Bücher hatte er gelesen, dass auf der Erde ganz ähnliche Einrichtungen existierten. Was, wenn er es recht überlegte, nicht so verwunderlich war; wahrscheinlich war das Zusammenleben nicht anders zu organisieren.
Aber er hatte es ja nicht absichtlich getan. Er hatte nur einen entsetzten Schrei ausgestoßen, und vor lauter Schreck hatte der Planetenbewohner das Fahrzeug von der Fahrbahn gesteuert.
Vor lauter Schreck?
»Er kann mich überhaupt nicht gehört haben«, erkannte Kelwitt.
»Von wem ist die Rede?«, erkundigte sich Tik diensteifrig.
»Der Planetenbewohner, der mich aus dem Graslager mitgenommen hat. Er kann überhaupt nicht gehört haben, dass ich geschrien habe, denn das Gehör der zweibeinigen Planetenbewohner reicht nicht bis in den Frequenzbereich jombuuranischer Stimmen.«
»Diese Schlussfolgerung ist logisch korrekt.«
»Also muss es ein Zufall gewesen sein, dass er sein Fahrgerät im gleichen Moment von der Fahrbahn heruntergesteuert hat.«
»Diese Schlussfolgerung beruht auf unzureichenden Grundinformationen und ist daher hypothetisch.«
»Jedenfalls bin ich unschuldig.«
»Diese Schlussfolgerung beruht ebenfalls auf unzureichenden … «
»Ach, stopf dir doch die Ritze!«
In diesem Augenblick erregte ein eigenartiges Geräusch aus dem Nestinneren seine Aufmerksamkeit. Mittlerweile hatte er die verschiedenen Geräusche, die in diesem Nest vorkamen, zu identifizieren gelernt: das Gurgeln der Fäkalienentsorgung, das Plappern des Bildschirmgeräts, das Blubbern der Maschine im Nahrungsraum, mit der die Planetenbewohner das schwarze Morgengetränk zubereiteten, das Klappern, wenn die Gerätschaften zur Nahrungszubereitung in den Schränken verstaut wurden, das Dröhnen der Maschine, die diese Gerätschaften reinigte – und so weiter.
Aber dieses Geräusch hatte er noch nie gehört. Was bei allen Geistern der Kahlebene war das?
Ohne das künstliche Licht einzuschalten – das hereinfallende Mondlicht war für jombuuranische Augen hell genug – ging er zur Tür, öffnete sie und lauschte hinaus in den Gang.
Es klang wirklich eigenartig. Ein tiefes Grollen zweier Stimmen, gemischt mit hohen, raschelnden Geräuschen, wie sie die Planetenbewohner zu Kelwitts Leidwesen manchmal hervorriefen, ohne es zu merken, weil ihr eigenes Gehör nichts davon mitbekam.
Leise trat er hinaus auf den Gang und folgte den Lauten. Das ganze Haus lag dunkel und still da, bis auf dieses unerklärliche Geräusch.
Es kam von der Tür her, hinter der F’tehr und
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