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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ungeeignet«, erklärte er, und es klang trotz der mechanischen Stimme beinahe jammervoll.
    »Das ist auch keine Schlafmulde«, meinte Sabrina. »Das ist eine Badewanne.«
    »Nein, das ist wirklich keine Schlafmulde«, stimmte Kelwitt ihr zu und machte eigenartige Dehnbewegungen mit den Schultern.
    In diesem Moment kam Sabrina die Idee. Wie eine innerliche Feuerwerksrakete stieg sie in ihr hoch, aus unergründlichen Tiefen kommend, zerstob in Hunderte leuchtender Geistesblitze und durchrieselte sie in Form warmer, erwartungsvoller Schauer.
    »Soll ich dich ein bisschen massieren?«, bot sie an.
    »Massieren?«, fragte Kelwitt zurück. »Was ist das?«
    »Ich zeig’s dir«, erklärte Sabrina. »Steig erst mal aus der Wanne.«
    Kelwitt stieg aus der Wanne.
    »Und jetzt setz dich auf den Stuhl.«
    Es war ein einfacher Stuhl ohne Polster, und Sabrina dirigierte Kelwitt so, dass er schließlich verkehrt herum darauf saß und sich mit den Armen auf der Rückenlehne aufstützte.
    Sie trat hinter ihn. »Massage«, erklärte sie dabei, »dient dazu, Verspannungen zu lösen.« Sie legte beide Hände an die Stelle seines Körpers, an der der Kopf mit sanftem Schwung in den Rumpf überging. »Wenn du unbequem gelegen hast, sind deine Muskeln bestimmt verspannt.«
    Die Haut war kühl, aber unter der Berührung erwärmte sie sich überraschend schnell. Und sie war feucht und schlüpfrig, so wie sie es in Erinnerung hatte; wie geschaffen dafür, berührt, gestreichelt, sanft massiert zu werden. Sabrina ließ ihre Hände langsam wandern und spürte, wie ihr Herz anfing, schneller zu schlagen.
    Kelwitt saß ruhig da und rührte sich nicht.
    »Tut das gut?«, fragte Sabrina mit einem trockenen Gefühl im Mund.
    »Das ist schwer zu sagen«, meinte Kelwitt.
    »Es geht vielleicht besser, wenn du den oberen Teil deines Anzugs ausziehst.«
    »Das kann ich tun.« Er stand auf, streifte den feuchten, filzig wirkenden Anzug bis zur Hüfte herab und setzte sich wieder. Ihre Hände nahmen ihre vorherigen Plätze wieder ein, begannen, größere Kreise zu streichen. Obgleich sie Kelwitt schon nackt gesehen hatte, hatte sie doch noch nie so ausgiebig Gelegenheit gehabt, ihn zu betrachten. Fremdartig sah er aus, und trotzdem ungemein ästhetisch. Sabrinas Hände tasteten über eigenartige Muskelstränge, über Stellen unterschiedlicher Schlüpfrigkeit, über unerwartete Knochen. Wobei sie nicht einmal wusste, ob das wirklich Knochen und Muskeln waren. Aus dieser Perspektive ähnelte Kelwitt keinem anderen Lebewesen, das sie jemals gesehen hatte.
    »Findest du es angenehm, berührt zu werden?«
    Kelwitt ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ja.«
    »Kannst du es genießen?«
    »Genießen …? Ja. Es gefällt mir.«
    Sabrina musste schlucken. »Berührt ihr euch auch manchmal? Auf Jombuur, meine ich.«
    »Ja. Es ist oft nicht zu vermeiden, denn die Nester sind sehr eng gebaut.«
    »Nein, ich meine, berührt ihr euch auch manchmal nur um des Berührens willen? Weil es angenehm ist?«
    Kelwitt schien zu überlegen. »Wenn wir es uns angenehm machen wollen«, erklärte er schließlich, »dann legen wir uns meistens auf einen Stein, der vom Meer überspült wird.«
    »Auf einen Stein«, wiederholte Sabrina verblüfft.
    »Ja. Das ist sehr angenehm.«
    Sie hielt einen Moment inne. Vielleicht war Kelwitt einfach noch zu jung? Er hatte selber gesagt, dass er das Stadium der Reife noch nicht erreicht hatte. Das hieß so viel, dass er noch ein Kind war. Biologisch gesehen. Als Kind, erinnerte sich Sabrina, hatte sie zum Beispiel Küsse widerlich gefunden. Die Küsse von Onkeln und Tanten sowieso, die fand sie auch heute noch widerlich, aber als sie im Kindergarten einmal ein Junge auf den Mund geküsst hatte, war sie schreiend davongerannt und hatte sich die Lippen mit Seife gewaschen. Damals hätte sie, vor die Wahl gestellt, jederzeit einer Tüte beliebiger Süßigkeiten den Vorzug vor einem Kuss gegeben, und mit den Süßigkeiten hätte sie auch tatsächlich mehr Spaß gehabt.
    Heute dagegen, dachte sie versonnen und glitt an Kelwitts Flanken abwärts, bis sie wieder das langsame, ungleichmäßige Pumpen seiner seitlichen Herzen fühlte, bin ich ganz verrückt danach. Vor allem verzehrte sie sich danach, einmal jemanden zu finden, der das Küssen zu genießen verstand. Für die meisten Jungs war das Küssen nur eine Aufforderung zu mehr, eine Art Etappenziel, eine im Grunde lästige und zu überwindende Stufe auf dem Weg zum Sex. Und meistens verhielten sie

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