Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
sich dann beim Sex auch noch so, als wollten sie es möglichst schnell hinter sich bringen.
    »Was Sex ist, weißt du also tatsächlich nicht?«
    Kelwitt wiegte den Kopf. »Dieses Wort wurde im Fernsehen öfter erwähnt. Aber im Lexikon war es nicht erklärt.«
    Sabrina musste grinsen. »Das ist ja auch ein Jugendlexikon. Das mal meinem Vater gehört hat, wohlgemerkt.«
    Er drehte sich herum und sah sie aus seinen großen dunklen Augen an. »Das verstehe ich jetzt nicht«, bekannte er.
    »Na ja«, meinte Sabrina, »früher hat man Kindern und Jugendlichen die ganzen Zusammenhänge von Sex und Fortpflanzung verschwiegen. Oder jedenfalls so wenig wie möglich darüber beigebracht.«
    »Warum?«
    Sabrina zuckte mit den Schultern. »Ich warte auch noch drauf, dass mir mal jemand erklärt, was das bringen sollte.«
    Kelwitt dachte nach. Die Haut um seine Augen schien sich ein bisschen zu kräuseln. »Heißt das, Sex und Fortpflanzung haben miteinander zu tun?«
    »Ja«, grinste Sabrina. »Und wie.«
    »Vielleicht hat man mir das auch verschwiegen.«
    »Was? Meinst du?«
    »Den Brauch der Orakelfahrt wollte man mir auch verschweigen. Niemand von meinem Schwarm hat mir jemals etwas darüber erzählt.«
    »Und wie hast du dann davon erfahren?«
    »Alle Jungen der Donnerbuchtschwärme treffen sich in der Marktmulde. Einer von ihnen wusste etwas darüber.«
    »Ja, ja«, seufzte Sabrina. »Sie bringen uns immer nur das bei, von dem sie auch wollen, dass wir es wissen. Man kann gar nicht früh genug anfangen, für sich selber zu sorgen.«
    Den Mann, der an der Tür zur Schankstube gerüttelt hatte, erkannte der Brunnenwirt sofort wieder, trotz der vielen Pflaster am Kopf und der schlimm zugerichteten Haare und der Blutergüsse im Gesicht.
    »Es ist noch geschlossen«, sagte er trotzdem erst mal, wie es sich gehörte, und musterte den Begleiter, den der andere dabeihatte, einen stämmigen Kerl mit Halbglatze und Schnauzbart, der dreinschaute, als erwarte er jeden Augenblick die Invasion der Kakerlaken. »Wir öffnen erst um elf. Was wollen Sie? Ich hoff’ bloß, mein Scheunendach zahlen.«
    »Ihr Scheunendach zahlen?«, echote der Mann mit den Blutergüssen, der heute keine Lederjacke anhatte, sondern einen schäbigen Bundeswehrparka.
    »Sie sind von der Regierung, haben Sie gesagt. Und es tät’ jemand kommen wegen dem Schaden an meiner Scheune.« Der Brunnenwirt stemmte die Hände in die Hüften. »Es ist aber niemand gekommen. Ich wart’ jetzt seit Freitag, und ich sag’ Ihnen eins: lang wart’ ich nimmer!«
    »Ach so!«, sagte der Mann. »Ja, natürlich. Ich entsinne mich. Selbstverständlich. Äh … das geht bloß nicht so schnell, verstehen Sie? Bürokratie. Da müssen, ähm, Berichte geschrieben werden, Anträge ausgefüllt, jede Menge Papierkram eben …« Es klang verdammt so, als denke er sich das alles in dem Moment aus, in dem er es sagte, und als habe er seit Freitag keinen winzigen Gedanken an ihn und seine Scheune verschwendet. »Und das jetzt vor Weihnachten … Das geht nicht so schnell, aber Sie kriegen Ihr Geld, hundertprozentig.«
    »Um mir das zu sagen, sind Sie gekommen?«
    »Wie? Nein, nein – ich … das heißt, wir … wir suchen den abgestürzten Flugkörper.«
    »So?« Der Brunnenwirt verschränkte die Arme vor der Brust. »Den Flugkörper.«
    »Der das Loch in Ihre Scheune … Sie verstehen. Er ist nicht mehr da.«
    Der Brunnenwirt lächelte hochzufrieden. »Ja, genau. Der ist da nicht mehr.«
    »Ah!« machte der andere und wechselte einen Blick mit seinem schweigenden Begleiter. Sollte wohl bedeutungsvoll aussehen, sah aber bloß bescheuert aus. »Sie haben ihn also fortgebracht!«
    »Konnte das Ding ja nicht gut da liegen lassen. Wo das Dach doch ein Loch hat.«
    »Wohin haben Sie es gebracht?«
    Das war jetzt so ein Moment, den man ausschneiden und in ein Album kleben können sollte, um ihn mal den Enkelkindern zu zeigen. »An einen Platz«, erklärte der Brunnenwirt genussvoll, »wo es gut aufgehoben ist, bis ich das Geld für mein Scheunendach hab.«
    »Wir brauchen diesen Flugkörper.«
    »Jeder hat halt so seine Bedürfnisse.«
    Der komische Kerl tastete in den Taschen seines Parkas herum, fand aber wohl seinen Ausweis nicht. »Sie wissen, dass ich für die Regierung arbeite. Ich muss Sie auffordern, uns den abgestürzten Flugkörper auszuhändigen.«
    »Sie haben schon den Kerl bekommen, der darin saß«, hielt der Wirt dagegen. »Die Kapsel kriegen Sie erst, wenn ich mein Geld hab.

Weitere Kostenlose Bücher