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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Mama?«, frohlockte er.
    Seine Mama riss ihn ungehalten auf ihre andere, von Sabrina abgewandte Seite, erdolchte sie alle drei mit Blicken und zischte: »Wie können Sie es wagen, einem arglosen Kind so einen Unsinn zu erzählen?!«
    Nun war sie es, die sich in die andere Richtung davonmachte und ihr Kind so dem verderblichen Einfluss entzog.
    Ein paar Jugendliche, die am Döner-Kebab-Stand lungerten, hatten den Vorfall mitbekommen. »Ja, hey!«, rief einer herüber. »Was für ein Film denn?«
    »Mann«, beantwortete ihm sein Kumpel lautstark die Frage. »Der neue ›Krieg der Sterne‹!«
    »Hey, quatsch mich nich’ an! Der läuft doch schon ewig!«
    »Und? Da kommt ja wohl ein zweiter Teil, oder?«
    Doch da war endlich die Apotheke und die Bankfiliale und dazwischen die unscheinbare Mattglastür mit dem Praxisschild, hinter die sie sich retten konnten.
    Doktor Lacher saß an seinem Schreibtisch, wühlte in Belegen und Abrechnungen und kam sich vor wie ein Buchhalter. Hatte er dafür Medizin studiert? Jedes Jahr das gleiche Theater, und jedes Jahr war er um diese Zeit kurz davor, den ganzen Kram hinzuschmeißen. Dass die Türglocke ging, nahm er nur unterbewusst wahr. Erst als die Sprechstundenhilfe den Kopf hereinstreckte, fiel ihm wieder ein, was er gestern Abend zugesagt hatte.
    »Ich weiß schon Bescheid«, sagte er, warf dankbar den Kugelschreiber beiseite und streckte sich. »Die Mattek-Kinder sind da mit ihrem kranken Gast.«
    »Ja, ja, aber …« Das Mädchen stockte, schluckte, rollte mit den Augen. Sie hieß Stefanie und war nicht schön, aber tüchtig. Ein mausgraues Wesen, und gerade sah sie noch grauer aus als sonst. Beinahe schon blass.
    »Was ist denn mit Ihnen?« Als Arzt hat man sich auch um das Wohlergehen seiner Angestellten zu kümmern. »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Wen die dabeihaben!«, brachte Stefanie hervor.
    »Wie bitte?«
    »Haben Sie den gesehen? Den die dabeihaben?« Sie wagte kaum zu atmen.
    »Wie hätte ich von hier aus wohl … Stefanie! Nun beruhigen Sie sich! Nein, ich weiß nicht, wer da bei Matteks zu Gast ist, aber Michael Jackson wird es doch wohl kaum sein, oder?« Stefanie war eine glühende Verehrerin des amerikanischen Popstars. Eigentlich hätte nur dessen unangekündigtes Erscheinen in Lachers Arztpraxis diese Symptome bei ihr hervorrufen können.
    Stefanie schloss die Augen, legte die flache Hand auf die Brust und zwang sich zu ruhigerer Atmung. »Bitte, Herr Doktor«, sagte sie gefasst, als sie die Augen wieder aufschlug, »Sie müssen jetzt ganz vorsichtig ins Wartezimmer schauen.«
    »Sicher muss ich das. Dort wartet ja mein Patient, nehme ich an.«
    »Ja, aber dieser Patient – was ist das?«
    Das klang ja wirklich beunruhigend. Lacher überlegte, was mit seiner sonst geradezu chronisch zuverlässigen und ruhigen Assistentin los sein mochte. Konnte er es wagen, sie in diesem Zustand nach Hause zu schicken, oder war es angezeigt, ihr ein Beruhigungsmittel zu geben?
    »Dieser Patient, meine Liebe, ist ein Gast von Herrn Mattek. Das habe ich Ihnen doch heute Morgen erklärt. Ihm ist nicht gut, und ich soll herausfinden, warum.« Doktor Lacher grinste flüchtig. »So kurz nach den Weihnachtsfeiertagen sollte das nicht allzu schwer fallen.«
    »Ah«, machte Stefanie. Sie ging zu einem Stuhl und ließ sich hineinfallen wie ein nasser Sack Sand. »Eigenartige Gäste hat er, Ihr Herr Mattek.«
    Jetzt wurde er doch neugierig, wer da in seinem Wartezimmer hocken mochte. Er ging hinüber in den Röntgenraum. Dort gab es ein winziges Guckloch, auf der anderen Seite durch einen Strauß Plastikblumen getarnt.
    Diesen Spion pflegte er zu benutzen, wenn er ein Gefühl dafür brauchte, wie viel Arbeit noch auf ihn wartete.
    Diesmal war das wirklich schwer zu sagen.
    »Allerhand«, sagte Doktor Lacher zu sich und schaute noch einmal hindurch.
    Er war sehr nachdenklich, als er zu Stefanie zurückkehrte. »Wie, würden Sie sagen, sieht das aus?«, fragte er.
    »Wie ein Wesen von einem anderen Stern«, erklärte Stefanie sofort.
    »Ja. Genau.« Lacher überlegte angestrengt. Gut jedenfalls, dass er gewarnt war. »Genau so sieht es aus.«
    Sie sah ihn mit großen Augen an. Großen Augen, um die es verräterisch zuckte.
    »Aber«, fuhr der Arzt fort, »würde ein Wesen von einem anderen Stern ausgerechnet die Familie Mattek besuchen? Wohl kaum, das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Also muss es eine andere Erklärung geben. Stefanie – ist Ihnen vor Weihnachten irgendetwas

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