Kelwitts Stern
unentschlossen zwischen den Fingern. »Hatten Sie ähnliche Beschwerden schon irgendwann einmal in Ihrem Leben?«
»Nein, noch nie.«
»Haben Sie eine Vorstellung, was es sein könnte, woran Sie leiden?«
»Nein.«
»Es ist also keine auf Ihrem Heimatplaneten häufig vorkommende Krankheit?«
»Nein.«
»Entschuldigen Sie, Doktor«, unterbrach Sabrina. »Was ich die ganze Zeit schon fragen wollte: Trauen Sie sich überhaupt zu, ihn zu behandeln? Ich meine, er ist schließlich kein Mensch. Er hat zum Beispiel drei Herzen, und wahrscheinlich sind auch seine übrigen Organe ganz anders als bei uns …«
Doktor Lacher nahm seine Faust in die andere Hand und knetete sie, eine Geste, die Sabrina noch von früher von ihm kannte. Nur dass er ständig verstohlen an einem vorbei in eine Zimmerecke schielte, schien ein neuer Tick zu sein. »Gut, dass du das fragst«, lächelte er gütig. »Darauf wollte ich aber ohnehin gleich zu sprechen kommen. In der Tat habe ich keine Erfahrungen in der Behandlung kranker Außerirdischer – woher auch? Deswegen werde ich auch sehr vorsichtig sein. Aber im Augenblick sind wir noch bei der Diagnose. Dabei kann nichts passieren. Allerdings werden wir um ein paar eingehendere Untersuchungen tatsächlich nicht herumkommen.«
Ein paar eingehende Untersuchungen später saß Doktor Lacher in seinem Labor und versuchte, das Gefühl loszuwerden, etwas ganz und gar Unwirkliches zu erleben. Unglaublich, was diese Special-Effects-Leute vom Film heutzutage draufhatten. Er hatte diesem angeblichen Außerirdischen Blut abgenommen – besser gesagt, Körperflüssigkeit, denn es war eine dünne, wässrige Brühe von – natürlich! – grüner Farbe –, aber diese Flüssigkeit transportierte Sauerstoff und Proteine. Er fragte sich wirklich, wie sie das gemacht hatten. Das Wesen wirkte unglaublich echt, bewegte sich, wirkte lebendig – aber es war fast nicht vorstellbar, dass es ein Schauspieler in Maske sein sollte: Es hätte ein magersüchtiger Schauspieler sein müssen, geradezu ein Skelett, und ein ziemlich kleines noch dazu.
»Ich frage mich, wie weit sie es treiben«, murmelte er vor sich hin.
Stefanie sah ihn an. Sie wirkte erschöpft. »Müsste nicht irgendwann dieser – wie heißt er? –, der die ›Versteckte Kamera‹ moderiert, kommen? Der kommt doch am Schluss immer dazu und nimmt seine Verkleidung ab.«
Lacher nickte grimmig. »Das tut er natürlich erst, wenn er uns drangekriegt hat«, sagte er. »Aber er wird uns nicht drankriegen. Wir werden den ganzen Schwindel auffliegen lassen.«
Sie sah auf die Röhrchen mit der trübgrünen Flüssigkeit und auf die verfärbten Teststreifen, die vor dem Ständer ausgebreitet lagen. »Und wie wollen Sie das machen?«
»Wie würden Sie es machen?«
»Ich würde versuchen, ob ich ihm die Gummimaske vom Kopf ziehen kann.«
»Das ist keine Gummimaske. Wahrscheinlich ist der ganze sogenannte Außerirdische eine Art Roboter. Eine ferngesteuerte Puppe.«
»Glauben Sie?«, fragte Stefanie beeindruckt.
Lacher setzte ein Lächeln auf, von dem er hoffte, dass es siegessicher wirkte. »Wir werden ihn trotzdem demaskieren«, prophezeite er. »Wir stellen ihn vors Röntgengerät!«
»Bei uns gibt es in jedem Schwarm einen Heiler«, erzählte Kelwitt und presste gehorsam den Mulltupfer auf die Einstichstelle in der Armbeuge, während Doktor Lacher und seine Assistentin im Labor beschäftigt waren. »Meistens einer der Älteren. Er versorgt einen, wenn man sich verletzt oder eine Krankheit bekommt, die nicht gefährlich ist. Erst wenn es gefährlich wird, ruft er einen der Großen Heiler. Der kommt mit einer Flugmaschine, mit der er den Kranken notfalls ins Nest der Großen Heiler mitnehmen kann.«
»Eine Art Krankenhaus«, mutmaßte Thilo.
»Wahrscheinlich«, gab ihm Kelwitt recht.
Doktor Lacher kam zurück, ein Auswertungsformular in der Hand, und verkündete, es sei unumgänglich, Kelwitt zu röntgen. Ob er, Kelwitt, wisse, was das bedeute?
»Ja«, erwiderte Kelwitt sofort. »Röntgenstrahlen. Von ihrem Entdecker W. C. Röntgen, 1895, ursprünglich X-Strahlen genannt. Elektromagnetische Wellen im Spektrum zwischen Ultraviolett und Gammastrahlung. Ihre medizinische Verwendung zur Krankheitserkennung wird Röntgendiagnostik genannt, sie beruht auf …«
»Schon gut«, winkte der Arzt hastig ab. »Ich sehe, Sie wissen Bescheid. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, dass ich Sie röntge?«
»Nein, nichts«, entgegnete Kelwitt bereitwillig.
Das
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