Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
»Sie werden verstehen, Herr Kollege, dass ich nicht geneigt bin, mir eine derartige Frechheit bieten zu lassen. Schon gar nicht im Beisein von Mitarbeitern. Das bedeutet, ich sehe mich gezwungen, Sie bis auf Weiteres vom Dienst zu suspendieren. Guten Abend, die Herren – und einen angenehmen Feierabend!«
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Oberkommando der Sowjetischen Streitkräfte in Wünsdorf, rund 40 Kilometer südöstlich von
Berlin | 19.55 h
»Verraten – die gesamte Operation?« Iwan Stepanowitsch Konew, Marschall der Sowjetunion und sowjetischer Oberkommandierender in Deutschland, fehlten die Worte. So etwas hatte er in seiner nun schon über 40 Jahre währenden Militärlaufbahn nur selten erlebt, und erlebt hatte er seit der Eroberung Berlin im Jahre 1945 eine Menge. Das galt vor allem für seine Rolle als Oberkommandierender der Ersten Ukrainischen Front, wo er im Wettstreit mit seinem Rivalen Schukow, dem Eroberer der Stadt, letztendlich das Nachsehen gehabt hatte. Geschadet hatte dies seiner Karriere nicht, war er doch bis zu seiner Pensionierung, die von Chruschtschow erst vor Kurzem rückgängig gemacht worden war, sogar stellvertretender Verteidigungsminister gewesen. »Sagen Sie das bitte noch einmal, Genosse Generalsekretär!«
Der Mann am anderen Ende der Leitung, just der, dem er die abrupte Beendigung seines Rentnerdaseins und die postwendende Entsendung in die DDR zu verdanken hatte, kam seinem Ansinnen prompt nach. Danach musste sich Konew erst einmal setzen. »Das darf doch nicht wahr sein!«, murmelte er, gerade so, als spräche er mit sich selbst. Mit allem hatte er gerechnet. Wirklich mit allem. Nur mit so einer Blamage nicht. Konew nahm seine Uniformmütze ab, warf sie achtlos auf den mit Karten, Depeschen und Einsatzbefehlen überhäuften Schreibtisch und riss den Kragenknopf seiner Marschallsuniform auf. Anders als sonst war Chruschtschow offenbar nicht nach Scherzen zumute, was angesichts des Schnitzers, den sich Ulbricht geleistet hatte, ja auch kein Wunder war.
»Dieser Ulbricht. Nicht einmal das kriegt er hin!« Noch während Nikita Chruschtschow, der Erste Sekretär des ZK der KPdSU, seinem Zorn freien Lauf und eine wahre Flut von Beschimpfungen vom Stapel ließ, goss sich der 63-jährige, etwas beleibte Russe mit dem kahl geschorenen Charakterkopf einen Wodka ein und machte sich Gedanken, wie der Schaden, den seine ostdeutschen Genossen angerichtet hatten, wieder zu beheben sein würde. Eine Lösung hatte freilich auch er nicht parat, dafür jedoch jede Menge Spott und Hohn. »Besser, wir hätten ihn 53 abgesägt.«
»Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben, Iwan Stepanowitsch?«
»Tut mir leid, Nikita Sergejewitsch – wenn ich so etwas höre, könnte ich die glatte Wand hochgehen.« Konew genehmigte sich einen Wodka und wartete ab, bis er seine Wirkung spürte. Diese trat denn auch prompt ein, wodurch die Gefahr, dass der Gaul mit ihm durchgehen würde, einstweilen beseitigt war. »Fragt sich, ob es nicht besser wäre, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Operation Rose – wenn ich das schon höre. Das konnte ja nicht gut gehen.« Konew holte tief Luft, ließ den Hörer von der linken in die rechte Hand wandern und grollte: »Ein Rat unter Freunden, Towarischtsch 34 – es ist höchste Zeit, dass wir den Amerikanern zeigen, wer der Herr im Hause ist. Ganz Berlin ist umstellt, unter anderem von Einheiten der Ersten Motorisierten Division der 20. Armee. Allein unsere ostdeutschen Waffenbrüder haben über 40.000 Mann aufgeboten, mehr als das Dreifache dessen, was die Alliierten derzeit zur Verfügung haben. Unsere eigenen Streitkräfte, von denen in den vergangenen Tagen und Wochen ein erheblicher Teil in und um Berlin stationiert worden ist, selbstverständlich nicht mitgerechnet. Alles in allem um die 120.000 Mann, genug, um mit den Yankees fertig zu werden, finden Sie nicht auch?«
»Auf gar keinen Fall, Konew. Das ist ein Befehl.«
»Und was ist, wenn die Amerikaner einen Präventivschlag führen? Nur damit ich weiß, was zu tun ist, wenn es so weit ist. Gut möglich, dass Sie dann nicht mehr zu erreichen sein werden, Genosse«, bohrte der Sowjetmarschall nach, nicht gewillt, ohne Weiteres klein beizugeben.
»Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus, Konew. So lange Kennedy Präsident ist, wird das nicht passieren. Und wissen Sie auch, wieso? Dieser Ostküsten-Playboy hat die Hosen gestrichen voll. Große Klappe, aber nichts dahinter. Mit dem können wir Blindekuh spielen, Iwan
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