Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
»Hoffen wir, dass es demnächst nicht noch mehr werden.«
»Denkst du wirklich, die da drüben machen ernst?«
»Ulbricht und Genossen? Darauf kannst du wetten, Waldi«, antwortete Sydow, trat zu Peters und fragte: »Alles dabei, worum ich dich gebeten habe?«
Peters rappelte sich auf und nickte. »Aber klar doch«, versicherte er und deutete auf den Aktenkoffer, welchen er direkt neben der Leiche abgestellt hatte. »Hier, bedien dich – alles drin, was das Herz begehrt. Angaben über die Todesursache der Getöteten, speziell über diejenige von Blaschkowitz. Einschließlich der Fotos, die ich im Verlauf des heutigen Tages geschossen habe. Rekonstruktion des Tathergangs in der Waldbühne. Forensische Gutachten.« Während er sprach, griff Peters in die Innentasche seines Jacketts, zog eine Schwarz-Weiß-Aufnahme hervor und reichte sie an Sydow weiter. »Einer der drei Toten von vorhin. Sieht so aus, als sei in der Waldbühne ganz schön was los gewesen.«
»Kann schon sein«, erwiderte Sydow lapidar, mit den Gedanken offenbar weit weg, warf er einen Blick auf das Foto und drückte es Kuragin in die Hand. »Ich nehme an, Juri, du hast den Herrn schon einmal gesehen.«
»Das kannst du aber laut sagen«, bekräftigte der Angesprochene und ließ den Blick zwischen der Aufnahme, seinem Gegenüber und dem Koffer hin und her pendeln. »Was dagegen, wenn ich mir eure Unterlagen kurz ausleihe?«
»Darf man fragen, was du unter ›kurz‹ verstehst?«
»Ein paar Jahre vielleicht, mehr nicht«, flachste Kuragin, nickte Peters dankend zu und hatte es auf einmal eilig, die Schwarz-Weiß-Aufnahme in seinem Sakko verschwinden zu lassen. »Und der Koffer?«, lauerte er. »Was habt ihr damit …?«
»Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses«, kam Sydow ihm zuvor, ein hintergründiges Lächeln im Gesicht. »Mit den besten Empfehlungen der Kripo Berlin. Greif zu, sonst überlegen wir es uns noch anders.«
Kuragin ließ sich nicht lange bitten. »Wenn das nicht ausreicht, um den Kerlen das Handwerk zu legen, dann weiß ich nicht mehr!«, frohlockte er. Und beeilte sich hinzuzufügen: »So, jetzt muss ich aber wirklich los. Sonst … sonst … was ist denn das?«
»Die Schlüssel für meinen Aston Martin«, antwortete Sydow, ein Lederetui in der rechten Hand. »Alte Klapperkiste, steht drüben vor dem Bahnhof. Damit dir nicht die Felle davonschwimmen, falls es das ist, was du gerade sagen wolltest.«
»Du denkst aber wirklich an alles, Tom«, lobte Kuragin, bemüht, sich das Vibrato in seiner Stimme nicht anmerken zu lassen. »Danke für alles – auf bald.«
»Ich habe zu danken. Und Berlin natürlich auch«, entgegnete Sydow und wies mit dem Kinn in die Richtung, wo sich der Lehrter Bahnhof befand. »Mach’s gut, alter Tschekist, und lass von dir hören.«
»Hier – als Entschädigung.«
»Für mich?« Völlig perplex, starrte Sydow die mit dem Vermerk ›Streng geheim!‹ versehene Liste, welche Kuragin urplötzlich in Händen hielt, mit weit aufgerissenen Augen an. »Wo hast du denn die aufgetrieben?«
»Dienstgeheimnis!«, wehrte Kuragin lächelnd ab und ergänzte: »Man beachte den IM 41 mit der Nummer sieben. Dürfte dir bekannt vorkommen, oder?«
»Und ob.« Je länger er das Dossier anstarrte, auf dem die Namen von Stasi-Spitzeln bei der Westberliner Polizei aufgelistet waren, desto bleicher, bestürzter und niedergeschlagener wurde er. »Wie aufmerksam von dir.«
Kuragin wollte etwas erwidern, drehte sich jedoch auf dem Absatz um und eilte davon, vorbei an einem der beiden T 34-Panzer, welche das Ehrenmal an der Straße des 17. Juni flankierten. Am Ende der Freitreppe angekommen, hielt er kurz inne, gab seinem Impuls, sich erneut umzudrehen, allerdings nicht nach und verschwand so schnell, dass es schien, er habe sich in Luft aufgelöst.
»Und was ist mit dem da?«, murmelte Peters mit Blick auf Bartosz, aus dessen Schädel immer noch Blut sickerte. Und beantwortete seine Frage gleich selbst: »Am besten wir deklarieren ihn und seinen Kumpel als Opfer einer Schießerei Zuhälter-Milieu, findest du nicht auch?«
»Gute Idee«, pflichtete ihm Sydow bei und flüsterte Krokowski etwas ins Ohr, woraufhin dieser nickte, Naujocks einen Wink gab und sich gemeinsam mit ihm entfernte. »Bis bald, Leichenfledderer – ich habe zu tun!«
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Hyannis Port, Massachusetts / USA
| 18.20 h Ortszeit, 0.20 h Berliner Zeit
Er hatte genug von familiären Problemen, weshalb er beschloss, vor dem Dinner
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