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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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noch einen Spaziergang zu machen. Gerade eben hatte ihm Jackie wieder einige Vorhaltungen gemacht, da tat ein wenig Seeluft ganz gut. Es gab Tage, an denen wirklich nicht gut Kirschenessen mit ihr war, der heutige Samstag, so stand zu befürchten, war einer davon. Vorhin, auf der Terrasse in der Irving Avenue, waren ganz schön die Fetzen geflogen, woran er selbst nicht ganz schuldlos war.
    Was seine Affären betraf, hatte er das Zählen allmählich aufgegeben, für ihn, den passionierten Schürzenjäger, war es noch nie sonderlich schwierig gewesen, eine Frau für sich zu gewinnen. Jackie, mit der er seit knapp acht Jahren verheiratet war, war ihm natürlich bald auf die Schliche gekommen, groß gekümmert hatte es ihn nicht. Im Gegenteil. Seine Eroberungen, unter ihnen ihre Pressesekretärin, die Schwägerin eines engen Freundes, Sekretärinnen im Weißen Haus und jede Menge adrette Damen, an deren Namen er sich beim besten Willen nicht entsinnen konnte, hatten Jackie regelrecht zur Weißglut getrieben.
    An Anlässen, sich von ihm scheiden zu lassen, hatte folglich kein Mangel geherrscht, was seine Frau allerdings nicht weiter verfolgte. Wahrscheinlich war ein Leben im Luxus, wofür ihre Privatschatulle bei Weitem nicht ausreichte, allemal attraktiv genug gewesen, um hin und wieder ein Auge zuzudrücken. Der Präsident lächelte gequält. Fast die Hälfte des Geldes, das Jackie buchstäblich zum Fenster hinauswarf, ging für Kleider drauf, im laufenden Jahr bereits so viel, dass ihre Ausgaben sein Jahressalär in Höhe von 100.000 Dollar mit hoher Wahrscheinlichkeit überschreiten würden.
    Im Vergleich zu den Problemen, mit denen er sich in seiner Eigenschaft als Präsident herumschlagen musste, waren Jackies Extravaganzen weniger dramatisch. Das meiste Kopfzerbrechen bereitete ihm derzeit Berlin, und er hätte viel dafür gegeben, wenn man ihm eine realistische Einschätzung der Lage geliefert hätte. Auf Dulles oder gar Calabrese konnte man sich nicht verlassen, weder auf sie noch auf die gesamte CIA. Wenn es eine Lehre gab, die er aus dem Schweinebucht-Desaster gezogen hatte, dann diese: Die Herren aus Langley, allen voran seine beiden Intimfeinde, waren lediglich auf ihren eigenen Vorteil aus. Wäre er dazu imstande gewesen, hätte er sie längst vor die Tür gesetzt und einen Mann seines Vertrauens auf den Chefsessel bei der CIA gehievt. Liebend gern sogar. Aus Mangel an Beweisen war er jedoch zur Untätigkeit verdammt, was ihm beträchtlich auf den Magen geschlagen hatte.
    »Mist, verdammter!« Der Präsident bückte sich, hob einen Kieselstein auf und schleuderte ihn in hohem Bogen ins Meer. Genau das war der Punkt. Um bei der CIA aufzuräumen, musste er etwas in der Hand haben. Sonst würde mit seinen Plänen, möglichst bald ein Großreinemachen zu veranstalten, nicht weit kommen. Und wenn es etwas gab, das er sich momentan nicht leisten konnte, dann eine neuerliche Schlappe, weder im Privatleben noch in der großen Politik. Watch your back, Jack!, lautete folglich die Devise, gerade jetzt, wo es an allen Ecken und Enden zu kriseln begann.
    Ohne die Gewitterwolken zu beachten, welche sich über dem Nantuckett-Sund zusammenbrauten, streifte der Präsident seine Segelschuhe ab, krempelte das Hosenbein hoch und watete durch das flache Wasser, das Rauschen der Brandung im Ohr, welche sich an den Riffen vor der Küste brach. Als Kind hatte es ihn immer wieder hierher gezogen, an die Strände von Massachusetts mit ihrem feinkörnigen weißen Sand. Hier hatte er Segeln gelernt, Tennis gespielt, im Kreise seiner Familie zahllose Wochenenden verbracht. Hier hatte er die wildesten Partys weit und breit gefeiert, die hübschesten Mädchen aufgerissen, hin und wieder einen über den Durst getrunken. Hier war er stets Jack gewesen, eines von insgesamt neun Geschwistern, die auf dem weitläufigen Anwesen seines Vaters herumtobten. Heute aber, seit einem knappen Dreivierteljahr, war er Präsident der USA, und es gab Tage, an denen er sich fragte, ob der Weg, den er beschritten hatte, der richtige für ihn war.
    »Mister President, Mister President – ein Anruf für sie.« Also wirklich. Keine 100 Meter vom 24.000 Quadratmeter großen Anwesen der Kennedys entfernt, ließ der Präsident seinen Kopf nach vorn sacken und hielt resigniert inne. Nicht einmal hier, geschützt vor neugierigen Blicken, hatte man seine Ruhe. Nicht einmal am Samstagabend. »Es ist dringend!«
    »So dringend, dass es nicht bis Montagmorgen warten

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