Kennedys Hirn
ich gelernt, daß ich die starke Hitze ertrage, weil mein Körper an das andere Extrem gewöhnt ist. Härjedalen und Griechenland haben bewirkt, daß ich für dieses wahnsinnig heiße Klima gerüstet bin.
Sie zog sich nackt aus, stellte sich in den kalten Luftzug des Apparats an der Wand und ging danach unter die Dusche. Langsam begann sie, die lange Flugreise abzuschütteln.
Hinterher setzte sie sich auf die Bettkante, schaltete ihr Handy ein und rief Arons Nummer an. Er meldete sich nicht, da war nur seine Stimme, die sie bat, es später noch einmal zu versuchen. Sie streckte sich auf dem Bett aus. Zog die dünne Decke über sich und schlief ein.
Als sie erwachte, wußte sie nicht, wo sie war. Das Zimmer war ausgekühlt, die Uhr zeigte zehn Minuten vor eins. Sie hatte mehr als drei Stunden geschlafen, traumlos und tief. Sie stand auf, zog sich an, fühlte sich hungrig. Sie legte ihren und Arons Paß und den größten Teil des Geldes in die Sicherheitsbox und gab einen Kode ein, die ersten vier Ziffern von Arturs Telefonnummer, 8854. Sie sollte ihn anrufen und ihm sagen, wo sie war. Doch zuerst mußte sie etwas essen und herausfinden, was es bedeutete, sich in einem Land zu befinden, von dem sie nichts wußte.
In dem schönen Hotelfoyer erinnerten nur die schwarzen Frauen, die herumgingen und Staub wischten, sie daran, daß sie sich in Afrika befand. Fast alle Gäste waren Europäer. Im Speisesaal bestellte sie einen Salat. Sie blickte sich um. Schwarze Bedienung, weiße Gäste. Dann suchte sie eine Bank, wo sie Geld wechseln konnte. Sie streifte weiter durchs Hotel. In einem Zeitungsladen kaufte sie eine Karte von Maputo und einen Reiseführer. In einem anderen Teil des Hotels stieß sie auf ein Spielkasino. Sie ging nicht hinein, schaute nur den übergewichtigen Männern zu, die dort saßen und an den Hebeln der einarmigen Banditen zogen. Sie ging zur Rückseite des Hotels, zu dem großen Swimmingpool und hinunter an den Zaun, wo der Garten des Hotels zum Strand und zum Meer hin abfiel. Sie stellte sich in den Schatten unter einer Markise. Der Ozean erinnerte sie an das Ägäische Meer, die gleiche türkisgrüne Färbung, die gleichen wechselnden Nuancen in der scharfen Sonne.
Ein Kellner tauchte auf und fragte, ob sie etwas wünsche. Meinen Sohn, dachte sie. Henrik am Leben und Arons Stimme am Telefon, die sagt, daß alles gut ist.
Sie schüttelte den Kopf. Der Kellner hatte ihren Gedankengang unterbrochen.
Sie verließ das Hotel auf der Vorderseite, die einem Parkplatz zugewandt war. Vor der Hotelmauer drängten sich die Straßenverkäufer. Sie zögerte einen Augenblick, doch dann trat sie auf den Bürgersteig, ging vorbei an den Verkäufern mit ihren Skulpturen aus duftendem Sandelholz, Giraffen, spielerischen Elefanten, kleinen Schachteln, Stühlen und geschnitzten Menschenfiguren mit grotesken Gesichtern. Sie ging schräg über die Straße, merkte sich, daß an der Ecke ein Büro der Autovermietung Avis lag, und ging eine breite Avenue entlang, die zu ihrer Verwunderung nach Mao Tse-tung benannt war.
Ein paar Straßenkinder saßen um ein Feuer aus brennendem Abfall. Eins von ihnen kam auf sie zugerannt und streckte die Hand aus. Sie schüttelte den Kopf und ging schneller. Der Junge war daran gewöhnt, er folgte ihr nicht, sondern gab sogleich auf. Jetzt noch nicht, dachte sie. Den Bettlern muß ich mich später widmen.
Sie bog in eine Straße ein, in der nicht soviel Verkehr war, danach in eine weitere Straße zwischen Mauern, hinter denen wütende Hunde bellten. Die Straße lag verlassen, es war die wärmste Tageszeit, die Siesta. Sie achtete genau darauf, wohin sie die Füße setzte. Der Belag des Bürgersteigs war zerbrochen, Abfallkörbe waren losgerissen. Sie fragte sich, wie es möglich sein konnte, im Dunkeln auf diesen Straßen zu gehen.
Da wurde sie überfallen. Sie waren zu zweit und kamen von hinten. Lautlos schlang einer der Männer die Arme um sie und hinderte sie an jeder Bewegung. Der andere preßte ihr ein Messer an die Wange. Sie sah, daß seine Augen gerötet waren, die Pupillen geweitet, er stand unter Drogen. Sein Englisch bestand hauptsächlich aus dem Wort juck. Der Mann, der ihre Arme festhielt und dessen Gesicht sie nicht sehen konnte, rief in ihr Ohr: »Give me money.«
Sie wurde vollkommen kalt, es gelang ihr, den Schock von sich fernzuhalten. Sie antwortete langsam: »Nehmen Sie, was Sie wollen. Ich leiste keinen Widerstand.«
Der Mann hinter ihr riß ihre Handtasche an
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