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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit dem Fuß etwas, was einem Kreuz in einem Kreis glich.
    »Wir sind unterwegs zu einem Ort, an dem Henrik eine große Freude erlebte. Vielleicht hat er dort so etwas wie einen Glückszustand empfunden. Er hatte sein Auto gekauft, ohne mir zu erzählen, wozu er es brauchte. Eines Abends tauchte er weit nach Mitternacht in der Bar auf, er blieb, bis ich aufhörte, und fuhr mich nach Hause. Er erzählte von einem Mann namens Christian Holloway, der ein paar Dörfer errichtet hatte, in denen Aidskranke gepflegt werden sollten. Der Ort, den er besucht hatte, war namenlos, denn Holloway predigte Demut.
    Sogar ein Name wäre vermessen. Diejenigen, die dort gepflegt wurden, zahlten nichts. Diejenigen, die dort arbeiteten, taten es freiwillig, viele Europäer, aber auch Amerikaner und Asiaten. Ihr Wirken dort war gänzlich ideell, sie lebten einfach. Es war keine religiöse Sekte. Henrik sagte, es seien keine Götter nötig, weil ihre Handlungen göttlich seien. Ich sah an diesem Morgen etwas bei ihm, was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Er hatte die Mauer von Verzweiflung, gegen die er so hart angekämpft hatte, durchstoßen.«
    »Was geschah dann?«
    »Er fuhr am nächsten Morgen wieder zurück. Vielleicht war er nur nach Maputo gekommen, um seine Freude mit mir zu teilen. Jetzt hatte er etwas gefunden, das er in die zweite Waagschale legen konnte, bevor das Elend den Sieg davontrug. Das waren seine eigenen Worte, oft hörte er sich recht pathetisch an. Aber es war ihm ernst. Henrik war, wie er war. Er hatte das Unrecht gesehen, er hatte gesehen, daß Aids eine Pest war, an die niemand rühren wollte. Ich weiß nicht, was es bedeutete, daß er selbst angesteckt war. Auch nicht, wie es dazu gekommen war. Oder wann. Aber jedesmal, wenn wir uns trafen, sagte er, er wolle mir Holloways Dorf zeigen, wo die Güte und die Fürsorge gesiegt hatten. Schließlich nahm er mich mit. Ein einziges Mal.«
    »Warum hat er das Dorf verlassen und ist nach Europa zurückgekehrt?«
    »Vielleicht können Sie dort die Antworten auf Ihre Fragen finden.«
    Louise stand auf.
    »Ich kann nicht warten. Wie weit ist es noch?«
    »Wir sind ungefähr auf der Hälfte.«
    Die Landschaft wechselte zwischen braun und grün. Sie erreichten eine Ebene an einem breiten Fluß, überquerten eine Brücke und fuhren durch die Stadt mit dem Namen Xai-Xai.
    Kurz danach bog Lucinda in eine Straße ein, die schnurgerade in eine endlose Buschlandschaft zu führen schien. Der Wagen schüttelte und schlug auf der holperigen Piste.
    Nach zwanzig Minuten lag plötzlich ein Dorf aus weißen Lehmhütten vor ihnen. Es gab auch einige größere Gebäude, alle um einen offenen Sandplatz gruppiert. Lucinda bremste, fuhr in den Schatten unter einem Baum und stellte den Motor ab.
    »Hier ist es. Das Dorf von Christian Holloway.«
    Ich bin Henrik nahe. Vor wenigen Monaten war er noch hier.
    »Henrik sagte, Besucher seien immer willkommen«, sagte Lu-cinda. »Das Gute soll vor niemandem geheimgehalten werden.«
    »Hat er sich so ausgedrückt?«
    »Ich glaube, er hatte Holloway oder einen seiner Helfer diese Worte sagen hören.« »Wer ist Holloway eigentlich?«
    »Henrik zufolge ein sehr reicher Mann. Er war sich nicht sicher, meinte aber, Holloway habe sein Vermögen mit verschiedenen technischen Patenten gemacht, die die Suche nach Ol auf dem Meeresboden erleichterten. Er ist reich und sehr scheu.«
    »Das klingt kaum nach einem Menschen, der beschließt, sein Leben Aidskranken zu widmen.«
    »Warum nicht? Ich habe mit meinem früheren Leben gebrochen, und ich kenne viele andere, die das gleiche getan haben.«
    Lucinda stieg aus und beendete so das Gespräch. Louise blieb sitzen. Die Hitze und der Schweiß klebten ihr am Körper. Nach einem Augenblick folgte sie Lucinda und trat neben sie. Drückende Stille lag über dem Platz. Louise erschauerte in der Hitze. Obwohl niemand zu sehen war, kam es ihr vor, als wären Augen auf sie gerichtet.
    Lucinda zeigte auf einen umzäunten Teich.
    »Henrik hat von diesem Teich gesprochen, von dem alten Krokodil.«
    Sie gingen näher heran. Das Wasser war morastig und dickflüssig. Am schlammigen Rand lag ein großes Krokodil. Lu-cinda und Louise schraken zusammen. Es war mindestens vier Meter lang. Die blutigen Reste der Hinterläufe eines Kaninchens oder eines Affen hingen zwischen den Kiefern der Bestie.
    »Henrik hat gesagt, es sei über siebzig Jahre alt. Christian Holloway meint, es sei ihr Schutzengel.«
    »Ein Krokodil mit weißen

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