Kennen Wir Uns Nicht?
ebenfalls in ihrer Haut nicht wohlfuhlen. »Hi!«, rufe ich überrascht. »Ist alles okay?«
»Ich habe ihnen erzählt, was du mir erzählt hast«, sagt Fi. »Wir waren gestern Abend noch was trinken, und da habe ich es ihnen gesagt.«
»Wir hatten ja keine Ahnung«, sagt Debs mit sorgenvoller Miene. »Wir haben dir keine Chance gelassen. Wir dachten, du bist immer noch ...« Sie sieht sich um.
»Ein machtgeiler Alptraum«, wirft Carolyn staubtrocken ein.
»Wir haben ein ganz schlechtes Gewissen.« Debs beißt sich auf die Lippe und sieht dabei die anderen an. »Oder?«
»Macht euch keine Gedanken.« Ich ringe mir ein Lächeln ab. Während ich die drei so betrachte, fühle ich mich einsamer als je zuvor. Wir waren einmal Verbündete. Wir waren immer ein Quartett. Aber jetzt haben sie drei Jahre ohne mich gelacht. Sie sind zu einem Trio zusammengewachsen, und ich gehöre nicht mehr dazu.
»Also, ich wollte dir nur das hier geben.« Debs tritt an den Schreibtisch, mit roten Wangen, und hält mir den Umschlag hin. Ich reiße ihn auf und ziehe eine weiße, geprägte Karte hervor. Eine Einladung zur Hochzeit.
»Ich hoffe, ihr könnt kommen.« Debs hat ihre Hände in den Taschen. »Du und Eric.«
Ich fühle mich gedemütigt. Ihre Körpersprache ist unmissverständlich. Sie möchte überhaupt nicht, dass wir zu ihrer Hochzeit kommen.
»Hör mal, Debs, du musst mich nicht einladen. Es ist nett von dir ...« Mit heißem Kopf versuche ich, die Karte wieder in den Umschlag zu stopfen. »Aber ich weiß, dass du gar nicht wirklich ...«
»Doch!« Sie nimmt meine Hand, hält mich zurück, und ich blicke auf. Ihre Augen sind genau wie immer - dunkelblau mit langen, getuschten Wimpern. »Du warst eine meiner besten Freundinnen, Lexi. Ich weiß, es hat sich viel verändert. Aber ... du solltest dabei sein.«
»Gut ... danke«, murmle ich schließlich. »Ich komme gerne.« Ich drehe die Einladung um, fahre mit dem Finger über die Prägung. »Wie hast du es fertiggebracht, dass sich deine Mutter in letzter Sekunde noch auf neue Gäste einlässt?«
»Sie hätte mich fast erwürgt«, sagt Debs unverblümt, was mich zum Lachen bringt.
»Hat sie gedroht, dir die finanzielle Unterstützung zu streichen?«
»Genaul«, ruft Debs, und diesmal fangen wir alle an zu gackern. Seit ich Debs kenne, droht ihre Mum damit. Dabei unterstützt sie sie schon seit zehn Jahren nicht mehr.
»Außerdem haben wir ein paar Muffins geholt«, sagt Fi. »Um uns für gestern zu entschuldigen ...« Ihr Satz bricht ab, als es klopft. Simon Johnson steht in der Tür.
»Simon!« Erschrocken setze ich mich auf. »Ich habe Sie gar nicht gesehen!«
»Lexi.« Er lächelt. »Haben Sie einen Moment?«
»Wir gehen schon«, sagt Fi eilig und schiebt die anderen hinaus. »Danke für die ... äh ... Information, Lexi. Sehr nützlich.«
»Bye, Fi!« Dankbar lächle ich sie an.
»Ich will Sie nicht lange aufhalten«, sagt Simon und schließt die Tür, als die drei gehen. »Ich wollte Ihnen nur die letzten Infos für das Meeting am Montag bringen. Behalten Sie sie bitte für sich. In Ihrer Abteilung verfügen nur Sie und Byron über diese Information.« Er tritt an den Schreibtisch und reicht mir einen Ordner.
»Selbstverständlich.« Ich nicke wie ein Profi. »Danke.«
Als ich den Ordner entgegennehme, sehe ich, dass rechts oben in der Ecke »Juni 07« geschrieben steht, und ich ahne Schreckliches. Ich weiß noch immer nicht, was »Juni 07« bedeutet. Gestern Nachmittag habe ich alle Akten danach durchsucht, aber nichts gefunden. Keine Computerdateien, keine Unterlagen, nichts.
Ich weiß, ich hätte Byron fragen sollen. Aber ich war zu stolz. Ich wollte es selbst herausfinden.
»Ich mach mich gleich daran!« Ich klopfe gegen den Ordner und hoffe, ich wirke überzeugend.
»Gut. Wir sehen uns Montagmittag, Punkt zwölf im Konferenzraum. Ein paar von unseren Frühstücksdirektoren müssen pünktlich wieder los.«
»Bis dann!«, sage ich mit zuversichtlichem Lächeln. »Danke, Simon.«
Sobald er draußen ist, setze ich mich hin und klappe den Ordner auf. Oben auf der ersten Seite steht »Zusammenfassung«, und ich überfliege den Text. Juni 06 ... umfassende Umstrukturierung ... Neuausrichtung auf dem Markt... allgemeines Umdenken ...
Sekunden später lehne ich mich überwältigt zurück. Kein Wunder, dass es so ein Riesengeheimnis ist. Der ganze Betrieb wird auf den Kopf gestellt. Wir übernehmen eine Firma für Werbung und Multimedia ... wir legen
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