Kennen Wir Uns Nicht?
cremefarbene Sofa. Um mich herum dreht sich die Welt, ob vom Montblanc-Schock oder dem ganzen Tag ... ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich am liebsten unter einer Decke verkriechen mochte. Ich komme mit meinem Leben einfach nicht zurecht. Überhaupt nicht.
SECHZEHN
Ich kann Eric nicht ansehen, ohne an Schlagsahne zu denken. Letzte Nacht habe ich geträumt, er sei von Kopf bis Fuß aus Schlagsahne gemacht. Der Traum war nicht so toll.
Zum Glück haben wir uns an diesem Wochenende kaum gesehen. Eric musste sich um Firmenkunden kümmern, und ich habe verzweifelt versucht, mir was einfallen zu lassen, wie man die Abteilung Bodenbeläge retten könnte. Ich habe sämtliche Verträge der vergangenen drei Jahre durchgearbeitet. Ich habe mir unsere Lieferanteninfos angesehen. Ich habe unser Kunden-Feedback analysiert. Offen gesagt: Die Lage ist beschissen.
Nicht nur, dass zu wenige Bestellungen eingehen - anscheinend will kein Mensch mehr Teppichboden kaufen. Uns steht obendrein nur ein Bruchteil des Werbe- und Marketingbudgets anderer Abteilungen zur Verfugung. Und wir bekommen keine speziellen Werbekampagnen. In der wöchentlichen Abteilungsleiterkonferenz stehen die Bodenbeläge immer ganz unten auf der Tagesordnung. Wir sind das Aschenputtel der Firma.
Wenn es allerdings nach mir geht, wird das alles anders. Übers Wochenende habe ich mir eine vollständige Umgestaltung ausgedacht. Geld, Mut und gewisse Einsparungen werden nötig sein, aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Verkäufe anschieben können. Aschenputtel ging schließlich auch zum Ball ins Schloss, oder? Und ich will die gute Fee sein. Ich muss die gute Fee sein. Ich kann nicht zulassen, dass meine Freundinnen ihre Jobs verlieren.
Oh, mein Gott. Schon wieder verkrampft sich mein Magen vor Anspannung. Ich sitze im Taxi auf dem Weg zur Arbeit, mit hochgestecktem Haar und dem Ordner mit meiner Präsentation auf dem Schoß. In einer Stunde findet das Meeting statt. Alle anderen Abteilungsleiter sind entschlossen, für die Auflösung der Abteilung Bodenbeläge zu stimmen. Ich werde meine Argumente gut vertreten müssen, anderenfalls ...
Nein. An anderenfalls darf ich gar nicht denken. Es muss mir gelingen, es muss einfach ... Mein Handy piept, und ich rutsche fast vom Sitz - so angespannt bin ich.
»Hallo?«
»Lexi?«, höre ich eine leise Stimme. »Hier ist Amy. Hast du kurz mal Zeit?«
»Amy!«, sage ich erstaunt. »Hi! Offen gesagt, bin ich gerade auf dem Weg zur ...«
»Ich steck in Schwierigkeiten.« Sie fällt mir ins Wort. »Du musst kommen. Bitte.«
»Schwierigkeiten?«, sage ich beunruhigt. »Was für Schwierigkeiten?«
»Bitte, komm!« Ihre Stimme bebt. »Ich bin in Notting Hill.«
» Notting Hill Warum bist du nicht in der Schule?«
»Moment mal eben.« Es wird dumpf und raschelt, und ich kann gerade noch hören, dass Amy sagt: »Ich rede gerade mit meiner großen Schwester, okay? Sie kommt.« Dann ist sie wieder dran. »Bitte, Lexi! Bitte, komm her! Ich hab mich da in was reingeritten.«
So habe ich Amy noch nie erlebt. Sie klingt verzweifelt.
»Was hast du angestellt?« Meine Gedanken rasen, während ich mir vorzustellen versuche, worauf sie sich eingelassen hat. Drogen? Kredithaie?
»Ich bin an der Ecke Ladbroke Grove und Kensington Park Gardens. Wie lange brauchst du?«
»Amy ...« Ich fasse mich an den Kopf. »Ich kann jetzt nicht!
Ich habe ein echt wichtiges Meeting. Kannst du nicht Mum anrufen?«
»Nein!« Amys Stimme quiekt vor Panik. »Lexi, du hast gesagt, dass ich dich immer anrufen kann, dass du meine große Schwester bist, dass du für mich da bist.«
»Aber ich meinte nicht ... ich hab gleich eine Präsentation ...« Mein Satz erstirbt, als mir plötzlich bewusst wird, wie mau das klingt. »Hör zu, normalerweise jederzeit ...«
»Okay.« Plötzlich klingt sie ganz klein, als wäre sie zehn Jahre alt. »Geh nur zu deinem Meeting. Mach dir keine Gedanken.«
Mein schlechtes Gewissen nagt an mir. Und der nackte Frust. Wieso konnte sie mich nicht gestern Abend anrufen? Wieso sucht sie sich genau den falschen Moment aus?
»Amy, raus damit: Was ist passiert?«
»Ist doch egal. Geh du zu deinem Meeting. Entschuldige, dass ich dich belästigt habe.«
»Hör auf! Lass mich kurz überlegen.« Blindlings starre ich aus dem Fenster, gestresst, unentschlossen ... In einer Dreiviertelstunde ist das Meeting. Ich kann nicht, wirklich nicht.
Oder vielleicht doch, wenn ich direkt hinfahre. Es sind nur zehn Minuten
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