Kennen Wir Uns Nicht?
bis nach Notting Hill.
Aber ich darf auf keinen Fall zu spät zum Meeting kommen. Auf keinen Fall...
Und plötzlich höre ich aus der knisternden Leitung die Stimme eines Mannes. Erst sagt er was, dann brüllt er. Ich starre mein Handy an, und mir wird ganz kalt. Ich kann meine kleine Schwester nicht im Stich lassen. Was ist, wenn sie es mit einer Bande zu tun hat? Was ist, wenn sie gleich zusammengeschlagen wird?
»Amy, halt durch!«, rufe ich. »Ich komme!« Ich beuge mich vor und klopfe an die Trennscheibe. »Wir müssen einen kleinen Umweg über Notting Hill nehmen. So schnell Sie können, bitte!«
Das Taxi düst den Ladbroke Grove hinauf. Ich beuge mich vor, spähe verzweifelt durch die Scheibe, versuche, Amy zu finden ... und sehe plötzlich einen Streifenwagen. An der Ecke Kensington Park Gardens.
Mir bleibt das Herz stehen. Ich komme zu spät. Sie wurde erschossen. Sie wurde erstochen.
Kraftlos vor Entsetzen werfe ich dem Fahrer sein Geld zu und steige aus dem Taxi. Vor dem Streifenwagen hat sich eine Menschenmenge versammelt und versperrt mir die Sicht. Alle glotzen, zeigen auf etwas und reden wild aufeinander ein. Verfluchte Gaffer.
»Entschuldigung!« Meine Stimme will nicht richtig, als ich mich der Menge nähere. »Sie ist meine Schwester! Lassen Sie mich bitte durch ...« Irgendwie schaffe ich es, mich durch die Anoraks und Jeansjacken zu zwängen und mache mich für das bereit, was ich vielleicht gleich sehen werde ...
Und da ist Amy. Weder erschossen noch erstochen. Sie sitzt auf einer Mauer, mit einer Polizistenmütze auf dem Kopf, und sieht ganz fröhlich aus.
»Lexi!« Amy wendet sich dem Polizisten zu, der neben ihr steht. »Da ist sie! Ich sag doch, dass sie kommt ...«
»Was ist hier los?«, frage ich und bebe vor Erleichterung. »Ich dachte, du steckst in Schwierigkeiten!«
»Ist das Ihre Schwester?«, sagt der Polizist. Er ist blond und stämmig, mit kräftigen Unterarmen voller Sommersprossen. Auf einem Klemmbrett macht er sich Notizen.
»Ah ... ja.« Mein Mut verlässt mich. »Hat sie schon wieder was geklaut? Was ist los?«
»Ich furchte, die junge Dame hat Probleme. Sie hat arglose Touristen hinters Licht gefuhrt. Wir haben hier ein paar aufgebrachte Bürger.« Er deutet auf die Menge. »Mit Ihnen hat das nichts zu tun, oder?«
»Nein! Natürlich nicht! Ich weiß nicht mal, wovon Sie reden!«
»Promi-Führung.« Er reicht mir ein Flugblatt, zieht die Augenbrauen bis fast in den Himmel hoch. »Quasi.«
Ungläubig lese ich das knallgelbe Flugblatt, das offenbar am Computer zusammengeschustert wurde.
Undercover Promi-Tour durch London
Zahlreiche Hollywood-Stars haben sich in London niedergelassen. Spionieren Sie ihnen auf dieser einzigartigen Führung nach. Sehen Sie:
— Madonna beim Wäscheaufhängen
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— Elton ganz entspannt zu Hause
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Wichtig: Wenn Sie die Stars ansprechen, wäre es möglich, dass diese ihre Identität bestreiten. Lassen Sie sich nicht beirren! Das gehört dazu, wenn man inkognito lebt!
Ratlos blicke ich auf. »Ist das ernst gemeint?« Der Polizist nickt.
»Ihre Schwester führt Leute durch London und erzählt ihnen, sie bekämen Prominente zu sehen.«
»Und wen sehen sie?«
»Nun. Leute wie die da.« Er zeigt zur anderen Straßenseite, wo eine schlanke Blondine in Jeans und hipper Tunikabluse auf den Stufen eines großen, weißen Altbaus steht, mit einem kleinen Mädchen von zwei Jahren auf dem Arm.
»Verdammt, ich bin nicht Gwyneth Paltrow!«, bellt sie ein paar Touristen in Burberry-Mänteln an. »Und: Nein, Sie können kein Autogramm bekommen!«
Sie sieht tatsächlich aus wie Gwyneth Paltrow. Sie hat genauso langes, glattes Haar und ein ähnliches Gesicht. Nur etwas älter und verhärmter.
»Gehören Sie zu der da?« Die Gwyneth-Doppelgängerin hat mich entdeckt und kommt die Treppe herunter. »Ich möchte Anzeige erstatten. Seit einer Woche fotografieren die Leute mein Haus und belästigen mich ... zum letzten Mal: Sie heißt NICHT Apple!« Sie wendet sich einer jungen Japanerin zu, die dem kleinen Mädchen »Apple! Apple!« zuruft, damit es in die Kamera sieht.
Die Frau ist außer sich. Ich kann es ihr nicht verdenken.
»Je öfter ich den Leuten versichere, dass ich nicht Gwyneth Paltrow bin, desto eher glauben sie, ich bin es doch«, sagt sie zu dem Polizisten. »Ich habe keine Chance. Ich kann nur noch
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