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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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Irre zum Fahrstuhl. Ich darf nicht zulassen, dass Byron ihnen die schlechte Nachricht bringt. Wenigstens das muss ich selbst tun!
    Im Fahrstuhl tippe ich Byrons Durchwahl in mein Handy und bekomme den Anrufbeantworter.
    »Byron!«, sage ich. Meine Stimme bebt vor Aufregung. »Sagen Sie den anderen nichts von den Entlassungen, okay? Ich möchte es selbst tun. Ich wiederhole: Sagen Sie ihnen noch nichts!«
    Ohne nach links oder rechts zu sehen, stürze ich aus dem Fahrstuhl in mein Büro und schließe die Tür. Ich zittere am ganzen Leib. So habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Wie soll ich es ihnen beibringen? Was soll ich sagen? Wie erklärt man seinen besten Freunden, dass sie ihren Job verlieren werden?
    Ich laufe im Büro auf und ab, verknote meine Hände und fühle mich, als müsste ich mich übergeben. Das ist schlimmer als jedes Examen, jede Prüfung, alles, was ich je zuvor getan habe ...
    Und dann lässt mich ein Geräusch aufhorchen. Eine Stimme, draußen vor der Tür. »Ist sie da drinnen?«
    »Wo ist Lexi?«, fallt eine andere Stimme in den Chor mit ein.
    »Versteckt sie sich? Bitch.«
    Einen Moment überlege ich, ob ich mich für immer unter dem Sofa verstecken soll.
    »Ist sie noch oben?« Die Stimmen draußen vor meiner Tür werden lauter.
    »Nein, ich hab sie gesehen! Sie ist da drinnen! Lexi! Komm raus!« Jemand klopft an die Tür, was mich zusammenzucken lässt. Irgendwie zwinge ich mich dazu, über den Teppich zu laufen. Vorsichtig strecke ich eine Hand aus und öffne die Tür.
    Sie wissen es.
    Sie stehen alle da. Alle Mitarbeiterinnen der Abteilung Bodenbeläge, schweigend und verächtlich. Fi steht ganz vorn, mit steinerner Miene.
    »Ich ... ich war das nicht«, stottere ich verzweifelt. »Bitte, hört mich an! Versteht doch. Es war nicht meine Entscheidung. Ich hab alles versucht ... ich wollte ...« Ich schweige.
    Ich bin die Chefin. Meine Aufgabe wäre es gewesen, die Abteilung zu retten. Ich habe versagt.
    »Es tut mir leid«, flüstere ich mit Tränen in den Augen und blicke von einer mitleidlosen Miene zur anderen. »Es tut mir so, so leid ...«
    Alles schweigt. Es kommt mir vor, als müsste ich unter ihren hasserfullten Blicken verwelken. Und wie auf Kommando drehen sie sich alle um und gehen schweigend fort. Meine Knie sind wie Gelee. Ich trete rückwärts an meinen Schreibtisch, dann lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen. Wie hat Byron es ihnen gesagt? Wie hat er sich ausgedrückt?
    Und dann finde ich die Antwort in meinem Postfach. Eine Rundmail mit der Überschrift: KOLLEGEN - SCHLECHTE NACHRICHT.
    Beklommen klicke ich die E-Mail an und wimmere leise, als ich sie lese. Diese Mail ist rausgegangen? Unter meinem Namen?
    An die Kollegen der Abteilung Bodenbeläge: Wie Sie sicher selbst wissen, waren die Ergebnisse der Abteilung Bodenbeläge in letzter Zeit ungenügend. Aus diesem Grund hat die Geschäftsleitung beschlossen, die Abteilung aufzulösen.
    Sie sind daher alle ab Juni freigestellt. Bis dahin wären Lexi und ich Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Arbeit noch um einiges gewissenhafter und effizienter erledigen würden. Vergessen Sie nicht, dass wir Ihnen Zeugnisse ausstellen - also kein Schludern und keine Schlamperei.
    Mit freundlichen Grüßen
    Byron und Lexi
    Okay. Jetzt möchte ich mich erschießen.
    Als ich zu Hause ankomme, sitzt Eric auf der Terrasse in der Abendsonne. Er liest den Evening Standard und trinkt Gin Tonic. »Guten Tag gehabt?« Er sieht von seiner Zeitung auf.
    »Ehrlich gesagt ... nein«, antworte ich mit zitternder Stimme. »Mein Tag war schrecklich. Die gesamte Abteilung ist entlassen worden.« Als ich es ausspreche, kann ich nicht mehr anders und breche in Tränen aus. »Alle meine Freundinnen. Alle werden ihren Job verlieren. Und alle hassen mich. Und ich kann es ihnen nicht mal verübeln.«
    »Darling.« Eric lässt die Zeitung sinken. »So ist das Geschäft. So was passiert.«
    »Ich weiß. Aber es geht um meine Freundinnen. Ich kenne Fi schon seit meinem sechsten Lebensjahr.«
    Eric scheint nachzudenken, während er an seinem Drink nippt. Schließlich zuckt er mit den Schultern und wendet sich wieder seiner Zeitung zu. »Wie gesagt. So was passiert.«
    »So was passiert nicht einfach.« Heftig schüttle ich den Kopf. »Man lässt so was nicht passieren. Man wehrt sich.«
    »Liebling.« Es scheint Eric zu amüsieren. »Du hast deinen Job doch noch, oder?«
    »Ja.«
    »Und die Firma macht nicht Konkurs, oder?«
    »Nein.«
    »Na dann ...

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