Kennen Wir Uns Nicht?
und der Bildschirm zeigt eine riesengroße, gestreifte Spinne, die in einem Glaskäfig herumschleicht.
»Oh, mein Gott!« Ich weiche zurück. Mir wird ganz schlecht. Spinnen fand ich noch nie so toll, und die hier ist bestimmt drei Meter hoch. Man kann die Haare an ihren grässlichen Beinen sehen. Man kann sogar ihr Gesicht erkennen. »Könntest du das vielleicht ... ausmachen?«
»Was ist denn?« Eric macht ein überraschtes Gesicht. »Ich habe dir Titan schon gezeigt, als du zum ersten Mal hier warst. Du hast gesagt, du findest ihn hinreißend.«
Na super. Es war unser erstes Date, und aus Höflichkeit habe ich wahrscheinlich gesagt, dass ich seine Spinne mag ... damit muss ich jetzt klarkommen.
»Weißt du was?«, sage ich und versuche, Titan aus meinem Blickfeld auszublenden. »Vielleicht hat der Unfall eine Spinnenphobie ausgelöst.« Ich versuche, so zu klingen, als hätte ich Ahnung davon, als hätte ich es von einem Arzt oder so.
»Möglich.« Eric runzelt leicht die Stirn, kurz davor meiner Theorie den Todesstoß zu versetzen. Wer will es ihm verdenken?
»Und ich hab auch ein Haustier?«, frage ich eilig, um ihn abzulenken. »Was ist es denn?«
»Hier.« Er zappt weiter. »Das ist Arthur.« Ein flauschiges, weißes Kätzchen erscheint auf dem Bildschirm. Ich quieke vor Freude.
»Ist der niedlich!« Ich sehe zu, wie er mit einem Wollknäuel spielt, es anspringt und dabei umkippt. »Wird daraus eines Tages ein erwachsener Kater?«
»Nein.« Eric lächelt. »Er bleibt ewig ein Kätzchen. Dein Leben lang, wenn du willst. Seine Lebenserwartung beträgt hunderttausend Jahre.«
»Aha«, sage ich nach einer Weile. Das ist doch unheimlich. Ein hunderttausend Jahre altes virtuelles Kätzchen.
Erics Handy piept, und er klappt es auf, dann zappt er wieder Richtung Bildschirm und weckt den Fisch. »Liebling, mein Fahrer ist da. Wie gesagt, ich muss kurz rüber ins Büro. Aber Rosalie ist auf dem Weg hierher, um dir Gesellschaft zu leisten. Sollte dich bis dahin irgendetwas stören, ruf mich sofort an, oder schick mir eine E-Mail über das System.« Er reicht mir ein rechteckiges, weißes Ding mit einem kleinen Bildschirm. »Hier ist deine Fernbedienung. Damit steuerst du Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Türen, Jalousien ... Ein intelligentes Haus eben. Hier läuft alles ferngesteuert. Aber wahrscheinlich brauchst du das gar nicht. Ist alles schon eingestellt.«
»Wir haben ein ferngesteuertes Haus?« Mir ist zum Lachen zumute.
»Das gehört alles zum Loft- Style Living!« Wieder macht er diese Geste mit beiden Händen, ich nicke und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie überwältigt ich bin.
Ich sehe ihm zu, wie er seine Jacke überzieht. »Und ... was genau verbindet mich mit Rosalie?«
»Sie ist die Frau von meinem Partner Clive. Ihr zwei habt immer viel Spaß.«
»Geht sie mit mir und den anderen Mädels aus dem Büro abends auf die Piste?«, frage ich. »Mit Fi und Carolyn?«
»Mit wem?« Eric sieht mich leeren Blickes an. Vielleicht gehört er zu diesen Männern, die nicht auf dem Laufenden sind, was das gesellschaftliche Leben ihrer Frauen angeht.
»Schon gut«, sage ich. »Ich finde es selbst raus.«
»Gianna ist nachher auch wieder da. Unsere Haushälterin. Wenn es Probleme gibt, hilft sie dir.« Er kommt zu mir, zögert, dann nimmt er meine Hand. Seine Haut ist weich und wirklich makellos, selbst aus der Nähe, und ich wittere ein faszinierendes, sandelholziges After Shave.
»Danke, Eric.« Ich lege meine Hand auf seine und drücke sie. »Ich weiß das wirklich zu schätzen!«
»Willkommen daheim, Liebling«, sagt er etwas eckig. Dann macht er seine Hand los, geht zur Tür, und kurz darauffällt sie hinter ihm ins Schloss.
Ich bin allein. Allein in meinem ehelichen Heim. Als ich mich in dem riesigen Raum umsehe, den würfelförmigen Kaffeetisch aus Acryl betrachte, die lederne Chaiselongue, die Kunstbücher ... fällt mir auf, dass es kaum etwas gibt, was mit mir zu tun hat. Weit und breit gibt es weder bunte Becher noch bunte Lichter und auch keine Bücherstapel.
Egal. Vermutlich wollten Eric und ich gemeinsam neu anfangen und haben alles zusammen ausgesucht. Und vermutlich haben wir Unmengen von atemberaubenden Hochzeitsgeschenken bekommen. Diese blauen Glasvasen auf dem Kaminsims sehen aus, als hätten sie ein Vermögen gekostet.
Ich schlendere zu den großen Fenstern und werfe einen Blick auf die Straße tief unter mir. Man hört nichts, und es zieht auch nicht. Ich sehe einen
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