Kennen Wir Uns Nicht?
Krebsforschung bis in alle Ewigkeit verboten wurde.
»Aber keine Sorge, heute machen wir was Nettes, was Entspannendes«, sagt Rosalie beschwichtigend. »Eine Massage oder eine schöne, sanfte Stretching-Stunde. Schnapp dir einfach deine Sportsachen, und wir fahren los!«
»Okay!« Ich zögere. »Also, es ist mir ein bisschen peinlich ... aber ich weiß nicht, wo meine Sachen sind. Die Schränke in unserem Schlafzimmer sind voll mit Erics Anzügen. Mein Zeug kann ich gar nicht finden.«
Rosalie sieht aus, als hätte sie einen Schlag vor den Kopf bekommen. »Du weißt nicht, wo deine Sachen sind?« Plötzlich hat sie Tränen in ihren großen, blauen Augen und fächert sich Luft zu. »Tut mir leid«, sagt sie schluckend. »Aber mir ist gerade klar geworden, wie grauenvoll und beängstigend das alles für dich sein muss. Dass du sogar vergessen hast, wo deine Kleider sind.« Sie holt tief Luft, reißt sich zusammen, dann drückt sie meine Hand. »Komm mit. Ich zeig es dir.«
Alles klar. Also, ich konnte meine Sachen nicht finden, weil sie nicht wie üblich in einem Schrank hängen, sondern ein Zimmer für sich allein haben - versteckt hinter einer Tür, die wie ein Spiegel aussieht. Und sie befinden sich allein deshalb in einem Extra-Zimmer, weil es so unglaublich viele sind.
Mir wird ganz schwindlig, als ich vor den Regalen stehe. Ich habe noch nie so viele Kleidungsstücke gesehen, außer im Laden natürlich. Gestärkte weiße Blusen, maßgeschneiderte schwarze Hosen, Kostüme in Steinpilzbraun und Maulwurfsgrau. Abendgarderobe aus Chiffon. Aufgerollte Strumpfhosen in einer eigenen Schublade. Gefaltete Seidenhöschen mit La Perla-Label. Ich finde nichts, was nicht nagelneu und tadellos aussieht. Hier gibt es keine ausgebeulten Jeans, keine ausgeleierten Pullis, keine kuscheligen, alten Pyjamas.
Ich durchforste eine ganze Reihe von Jacken, die eigentlich nur an den Knöpfen zu unterscheiden sind. Ich kann nicht fassen, dass ich so viel Geld für Kleider ausgegeben habe, die dann doch alle irgendwie gräulich beige sind.
»Was sagst du nun?« Rosalie beobachtet mich mit leuchtenden Augen.
»Einfach irre!«
»Ann hat wirklich Geschmack.« Sie nickt weise. »Ann, deine Stilberaterin.«
»Ich habe eine Stilberaterin?«
»Nur für die wichtigsten Teile der Saison ...« Rosalie hält ein dunkelblaues Kleid mit Spaghettiträgern und Rüschensaum hoch. »Guck mal, das ist das Kleid, das du getragen hast, als wir uns kennengelernt haben. Ich weiß noch, wie ich dachte: >Ach, das ist also die Frau, die sich Eric geangelt hat.< Es war das Thema auf der Party! Und eins kann ich dir sagen, Lexi: Es gab viele gebrochene Mädchenherzen, als ihr zwei geheiratet habt...« Sie greift nach einem langen, schwarzen Abendkleid. »Dieses Kleid hast du zu meinem Murder Mystery Dinner getragen.« Sie hält es mir an. »Mit einem kleinen Pelzjäckchen und Perlen ... weißt du noch?«
»Nicht wirklich.«
»Was ist mit diesem Catherine Walker? Daran musst du dich doch erinnern ... oder dein Roland Mouret ...« Rosalie reißt ein Kleid nach dem anderen heraus, aber keines kommt mir auch nur im Entferntesten bekannt vor. An einem hellen Kleidersack hält sie seufzend inne. »Dein Hochzeitskleid!« Langsam, ehrfurchtig, zieht sie den Reißverschluss auf und holt das seidenweiße Kleid hervor, das ich von der Hochzeits-DVD her kenne. »Fällt dir da nicht alles wieder ein?«
Ich starre das Kleid an und gebe mir die allergrößte Mühe, mich an irgendetwas zu erinnern ... nichts.
»Oh, mein Gott!« Plötzlich schlägt Rosalie ihre Hand vor den Mund. »Du und Eric ... ihr solltet euch noch mal das Ja-Wort geben! Und ich werde es für euch planen! Diesmal könnten wir ein japanisches Thema wählen! Du solltest einen Kimono tragen ...«
»Vielleicht!«, unterbreche ich sie. »Es ist alles noch so neu. Ich ... denk drüber nach.«
»Hmm ...« Rosalie sieht enttäuscht aus, als sie das Hochzeitskleid wieder weghängt. Dann hellt sich ihre Miene auf. »Probier mal die Schuhe! Bestimmt erinnerst du dich an deine Schuhe.«
Sie geht ans andere Ende des Raumes und reißt eine Schranktür auf. Ungläubig starre ich hinein. Noch nie habe ich so viele Schuhe gesehen. Alle ordentlich in Reih und Glied, die meisten mit hohen Absätzen. Was soll ich denn mit hochhackigen Schuhen?
»Nicht zu fassen!« Ich bin völlig entgeistert. »Auf hohen Absätzen kann ich doch überhaupt nicht laufen. Gott weiß, wieso ich mir die gekauft habe.«
»Kannst du
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