Kennen Wir Uns Nicht?
wohl.« Rosalie ist verblüfft. »Selbstverständlich kannst du.«
»Nein.« Ich schüttle den Kopf. »Auf hohen Hacken kann ich noch nicht mal stehen. Ich kipp einfach um, ich verstauch mir den Knöchel, ich seh total bescheuert aus ...«
»Süße ...« Rosalies Augen werden groß. »Du lebst auf High Heels. Diese hier hast du getragen, als wir das letzte Mal zusammen essen waren.« Sie holt ein schwarzes Paar Pumps mit zehn Zentimeter langen, dünnen Stiletto-Absätzen hervor, die ich mir im Laden nicht mal ansehen würde.
Die Sohlen sind zerkratzt. Das Label im Schuh ist abgewetzt. Irgendwer hat sie getragen.
Ich?
»Zieh sie an!«, sagt Rosalie.
Vorsichtig streife ich meine Slipper ab und steige in die High Heels. Sofort komme ich ins Wanken und halte mich an Rosalie fest.
»Siehst du? Ich verliere das Gleichgewicht!«
»Lexi, du kannst in den Dingern laufen«, sagt Rosalie entschlossen. »Ich habe es doch selbst gesehen.«
»Kann ich nicht!« Ich will sie wieder ausziehen, doch Rosalie packt meinen Arm.
»Nein! Gib nicht gleich auf! Du hast es in dir! Ich weiß es! Du musst es ... herauslassen!«
Ich wage noch einen Schritt, aber meine Knöchel biegen sich wie Plastilin. »Es hat keinen Sinn.« Ich schnaube frustriert. »Dafür bin ich einfach nicht gemacht.«
»Bist du wohl! Versuch es noch mal! Entspann dich: Finde die Mitte!« Rosalie klingt, als wollte sie mich mental auf einen Olympischen Wettkampf vorbereiten. »Du kannst es schaffen, Lexi!«
Ich stelze ans andere Ende des Raumes und klammere mich an den Vorhang. »Das schaff ich nie!«, rufe ich verzweifelt.
»Selbstverständlich schaffst du das! Denk einfach nicht darüber nach! Lenk dich ab! Ich weiß ... wir singen ein Lied! Land ofhope andgloreee ... komm schon, Lexi, singl«
Widerwillig stimme ich mit ein. Und hoffe inständig, dass Eric keine Überwachungskamera auf uns gerichtet hält.
»Jetzt lauf.« Rosalie gibt mir einen kleinen Schubs. »Los!«
»Land ofhope and gloreee ...« Ich versuche, mich auf das Lied zu konzentrieren. Ich mache einen Schritt vorwärts. Dann noch einen. Und noch einen.
Oh, mein Gott. Ich tue es. Ich kann auf Hackenschuhen laufen!
»Siehst du?«, kräht Rosalie triumphierend. »Ich hab es doch gesagt! Du bist ein High Heels-Girl!«
Ich erreiche das andere Ende des Raumes, mache zuversichtlich kehrt, mit erhabenem Lächeln. Ich fühle mich wie ein Model!
»Ich kann es! Es ist ganz einfach!«
»Yeah!« Rosalie hebt ihre Hand und klatscht mich ab. Sie zieht eine Schublade auf, holt ein paar Sportsachen hervor und wirft sie in eine viel zu große Tasche. »Komm schon, gehen wir!«
Wir fahren in Rosalies Wagen zum Fitnessstudio. Es ist ein luxuriöser Range Rover mit dem Kennzeichen ROS i und haufenweise Designer-Einkaufstüten auf dem Rücksitz.
»Was machst du eigentlich so?«, sage ich, während sie in einem fort die Fahrbahn wechselt.
»Hauptsächlich arbeite ich ehrenamtlich.« Sie nickt ernst.
»Wow.« Ich schäme mich ein bisschen. Rosalie machte auf mich nicht gerade den Eindruck einer ehrenamtlichen Helferin, was nur zeigt, wie voreingenommen ich bin. »Was denn so?«
»Vorwiegend Eventplanung.«
»Für bestimmte Zwecke?«
»Nein, meistens für Freunde. Wenn sie jemanden brauchen, der ihnen mit Blumen oder Girlanden zur Hand geht...« Rosalie macht einem Fernfahrer schöne Augen. »Bitte, bitte, lass mich rein, Mister Truck-Driver ... Dankeschön!« Sie zieht auf die andere Spur und wirft ihm einen Kuss zu.
»Hin und wieder mache ich auch was für die Firma«, fugt sie hinzu. »Eric ist ein solcher Schatz! Er holt mich immer zu Eröffnungen und so was dazu. Oh, Scheiße, Baustelle!« Unter wütendem Hupen der anderen Autofahrer zieht sie wieder auf die andere Spur und stellt das Radio lauter.
»Du magst Eric, was?« Ich gebe mir Mühe, beiläufig zu klingen, obwohl ich unbedingt wissen möchte, was sie von ihm hält.
»Oh, er ist der perfekte Ehemann. Absolut perfekt.« Sie hält an einem Zebrastreifen. »Meiner ist ein Scheusal.«
»Ehrlich?« Ich starre sie an.
»Aber ich bin auch ein Scheusal.« Sie wendet sich zu mir um, und ihre blauen Augen sind todernst. »Wir sind beide so impulsiv. Es ist die reine Hassliebe. Da sind wir!« Sie gibt Gas und biegt auf einen winzig kleinen Parkplatz ein, hält neben einem Porsche und stellt den Motor ab.
»Mach dir keine Sorgen«, sagt sie, als sie mich zur gläsernen Doppeltür schiebt. »Ich weiß, dass das für dich alles sehr schwer sein
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