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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der alten Jungfrau, welche nie einen Mann gehabt hatte und sich wohl sagte, daß ihre Nichte so schnell auch keinen finden werde – und wir wissen außerdem, daß diese Frist in sechs Wochen ablief. Wurde jene Bedingung nicht eingehalten, so fiel jene Erbschaft, welche den größten Theil des Vermögens der jungen Dame bildete, an entferntere Seitenverwandte.
    Amasia wäre übrigens eine reizende Erscheinung für jeden Europäer gewesen.
     

    Der Hafen von Odessa. (S. 87.)
     
    Wenn ihr »Jachmak«, ein Schleier aus weißem Musselin, wenn das Häubchen aus golddurchwirktem Stoffe, das ihren Kopf bedeckte, und wenn die dreifache Zechinenschnur ihrer Stirn entfernt worden wären, hätte man einen prächtigen Haarwuchs mit pechschwarzen Locken sehen müssen. Amasia nahm die Mode ihrer Heimat nicht in Anspruch, um ihre Schönheit zu erhöhen. Weder gebrauchte sie »Hanum«, um die Augenbrauen schärfer zu zeichnen, noch »Khol«, die Wimpern zu färben, oder »Henne«, um die Lider zu pudern. Kein Wismuthweiß oder Carminroth kam auf ihr Gesicht; kein flüssiger Kermes, um die Lippen zu röthen. Eine Dame aus dem Abendlande, welche der kläglichen Sitte des Tages huldigte, wäre mehr »angemalt« gewesen, als sie. Aber ihre natürliche Eleganz, ihre Behendigkeit, die Grazie ihres Ganges verriethen sich noch unter dem »Feredje«, einem weiten Cachemirmantel, der sie vom Hals bis zu den Füßen gleich einer Dalmatica verhüllte.
    Heute trug Amasia auf der nach dem Garten zu offenen Gallerie ein langes Seidenhemd aus Brussa, welches der faltige »Chalwar« bedeckte, der sich an eine kleine gestickte Weste anschloß, und eine »Entari« aus langen Seidenstreifen, die an den Aermeln geschlitzt und mit »Oya«, das ist eine speciell in der Türkei hergestellte Spitzensorte, verziert war. Eine Schärpe aus Cachemir hielt die langen Enden der Schleppe, um das Gehen zu erleichtern. Ohrgehänge und ein Armring bildeten den einzigen Schmuck, den sie trug, und elegante »Padjubs« aus weichem Sammet bedeckten den unteren Theil des Beines und ihre Füßchen verschwanden in goldbenähten Pantoffeln.
    Ihre Dienerin Nedjeb, ein lebhaftes, heiteres junges Mädchen und ihre ergebenste Begleiterin – man hätte fast sagen können, ihre Freundin – befand sich bei ihr, lief auf und ab, plauderte, lachte und erhellte die ganze Umgebung durch ihre herzliche und ansteckende Heiterkeit.
    Nedjeb, eine geborne Zigeunerin, war keineswegs Sclavin. Wenn man auch noch Aethiopier oder Schwarze aus dem Sudan an etlichen Plätzen des Reiches zum Verkauf gestellt sieht, ist die Sclaverei doch, mindestens im Princip, abgeschafft. Ist auch die Anzahl Dienstleute für die Bedürfnisse eines großen türkischen Haushaltes eine sehr bedeutende und eine Zahl, welche in Constantinopel den dritten Theil der Bevölkerung ausmacht, so sind doch die Obliegenheiten solcher Leute ordentlich geregelt, und da Jedem nur eine gewisse Aufgabe zufällt, haben sie in der That nicht viel zu thun.
    Das Haus des Banquiers Selim befand sich etwa auf dieser Stufe; trotzdem nahm Nedjeb, welche nur Amasia zu bedienen hatte, nachdem sie schon als Kind aufgenommen worden war, eine ganz besondere Stellung ein, welche sie zu keinen anderen Dienstleistungen verpflichtete.
    Halb auf einem, mit reichen persischen Stoffen bedeckten Divan ausgestreckt, ließ Amasia die Blicke über die Bai von Odessa schweifen.
    »Theure Herrin, sagte Nedjeb, während sie sich auf ein Kissen zu Füßen des jungen Mädchens niedersetzte, der Seigneur Ahmet ist noch nicht hier? Was macht denn Seigneur Ahmet?
    – Er ist nach der Stadt gegangen, antwortete Amasia, und vielleicht bringt er uns einen Brief von seinem Onkel Keraban mit heim.
    – Einen Brief! Einen Brief! rief die junge Dienerin. Ein Brief ist es nicht, was wir brauchen, sondern den Onkel selbst, und wahrlich, der Onkel läßt recht lange auf sich warten.
    – O Geduld, Nedjeb!
    – Sie sprechen da, wie es Ihnen gefällt, meine theure Herrin; wären Sie an meiner Stelle, würden sie auch nicht so geduldig sein!
    – Thörin! antwortete Amasia. Sollte man nicht glauben, es handelte sich um Deine Hochzeit und nicht um die meinige?
    – Und glauben Sie denn nicht, daß es eine sehr ernsthafte Sache ist, in den Dienst einer Dame überzugehen, nachdem man bisher bei einem jungen Mädchen war?
    – Ich werde Dich deshalb nicht minder lieb haben, Nedjeb.
    – Ebenso wie ich Sie, theure Herrin! Doch wahrhaftig, ich werde Sie sehr glücklich sehen,

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