Kerker und Ketten
kennengelernt habt, sind Soldaten Seiner Majestät, unseres allergnädigsten Königs, dessen Heer vor kurzem bei Sidi-Mes geschlagen wurde. Sie hatten das Pech, ihre Schiffe nicht mehr zu erreichen, andererseits aber das Glück, nicht in algerische Gefangenschaft zu geraten. Sie trieben sich an der Küste herum, bis sie zufällig auf uns stießen. Senor Virgen hatte die gute Idee, sie anzuwerben und vorläufig zu behalten, bis sich in Spanien eine Gelegenheit findet, sie an Land zu setzen. Auf diese Leute und auf unsern treuen Jose bauten wir den Plan. Wir schickten Jose mit einigen Soldaten in den Hohlweg, um dort auf die Rückkehr der Gräfin zu warten. Sie sollte an Ort und Stelle unschädlich gemacht werden. Solltet Ihr Euch in ihrer Gesellschaft befinden, so lautete mein Befehl, Euch hierher zu bringen. Ihr werdet nun den Mannschaften die traurige Kunde bringen, daß die Gräfin bei irgendeiner Gelegenheit den Tod gefunden hat. Euch wird man glauben. Wir sind sie los, und das Abenteuer hat ein Ende. Meinetwegen können wir noch heute in See stechen. Na, was sagt Ihr zu meinem Plan?«
»Warum können wir eigentlich nicht der Mannschaft die Wahrheit sagen?« fragte Porquez. Escamillo lachte. »Die Burschen schwärmen alle, außer Jose, für dieses Teufelsweib. Sie würden uns vermutlich aufhängen, wenn sie wüßten, was wir hier ausgeheckt haben.« »Also bleiben sie doch Meuterer«, sagte der Kapitän nachdenklich. »Es wäre schwer, es anders zu nennen«, lachte Escantillo.
»Nun«, meinte Porquez, »ich bin im Grunde einverstanden. Nur können wir nicht gleich in See gehen. Ich warte noch auf Freunde, die . . .« »Den Silbador?« unterbrach Escantillo scharf.
»Si, auch auf ihn. Wir haben Monate voller Höllenqualen mit ihm geteilt. Ich kann ihn jetzt nicht im Stich lassen.«
Escantillo erhob sich plötzlich und meinte mit zusammengekniffenen Augen: »Bei Gott, Capitan, ich will Euch nicht zum Verrat an Euren Freunden zwingen. Aber ich glaube, der Silbador wird bei seiner Ankunft die gebundene Gräfin finden.« Porquez überlegte. Er führte einen schweren Kampf mit sich selbst. Plötzlich ging ihm die Vergangenheit durch den Kopf. Wenn er damals nicht diesen Michel Baum und auch nicht diese verfluchte Gräfin mit jenem Doktor Garcia an Bord genommen hätte, dann wäre das ganze vergangene Jahr anders verlaufen. Irgendwie hatte Michel Baum durch sein Erscheinen die Schuld an dem ganzen Durcheinander.
»Diablo«, meinte er, »es fällt mir nicht leicht, Senor Baum im Stich zu lassen.« Escantillo steckte die unversehrte Hand in den Gürtel. »Capitan! Ich kann Euch nicht zwingen, etwas zu tun, was Ihr nicht wollt. Auf der einen Seite stehen Eure Freunde, auf der andern das Schiff. Euer Schiff, Capitan, das man Euch widerrechtlich abgenommen hat. Welcher Verrat ist der größere? Entscheidet selbst!«
»Ja, ja, aber schließlich hat mir der Silbador das Schiff nicht abgenommen ...«
»Er war schuld, daß überhaupt eine Meuterei ausbrach. Capitan, der Pfeifer wird nicht zulassen, daß man die Gräfin draußen aussetzt. Ich glaube diesen Mann und seine merkwürdige Seele zu kennen. Ich sage Euch zum letztenmal: wählt zwischen ihm und dem Schiff ...«
Porquez standen Schweißperlen auf der Stirn. Hilfesuchend sah er zu Jardin hin. Doch dieser hielt den Blick zu Boden gesenkt.
»Ich wähle das Schiff!« sagte der Kapitän.
Kaum merklich, aber doch so, daß man es sehen konnte, nickte Alfonso Jardin.
18
»Nanu«, sagte Punte erstaunt, als er den schrillen Klang der Schiffsglocke vernahm, »dreimal? Das bedeutet: Zelte abbrechen und Schiff klarmachen. Wir werden doch nicht etwa ohne die Senorita Capitan segeln?«
»Vielleicht kommt sie nicht wieder?« meinte Hernan. »Vielleicht hat sie die »Trueno« aufgegeben. Aber ich finde es irgendwie eigenartig, daß man uns gar nichts mitteilt.« Punte sah vor sich in den Sand. Seine Stirn war in nachdenkliche Falten gelegt. Plötzlich sah er wieder auf.
»Du, Hernan, da stimmt etwas nicht. Denke mal nach, was sich so alles ereignet hat, seit die Senorita weggegangen ist. Plötzlich war dieser ekelhafte Escantillo frei, und sie hatte uns nichts davon gesagt. Dann wurden die Landstreicher angeheuert, obwohl sie keinen Dunst von der christlichen Seefahrt haben. Glaubst du; daß das wirklich nur aus Mitleid für sie geschehen ist?« »No, das würde diesem arroganten Fuentes gar nicht ähnlich sehen. Mir wird die Sache immer unheimlicher.«
»Ja, maldito, wo
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