Kerker und Ketten
suche er dort des Rätsels Lösung. Die Boote legten am Schiff an. Von oben wurde eine Strickleiter heruntergelassen. Als erster erklomm sie der alte Kapitän.
Oben stand wieder einer dieser unbekannten Spanier.
»Melde uns Don Escamillo, amigo. Sag ihm, daß alles geglückt ist und ich den Kapitän und Senor Jardin mitbringe«, befahl ihm Jose. Der Soldat nickte und entfernte sich.
Ibn Kuteiba und Abu Hanufa waren als letzte an Bord geklettert, als sich vom Kabineneingang her eine überschwengliche Stimme vernehmen ließ: »Hola, Senor Porquez! Willkommen auf Euerm Schiff!«
Es war Escamillo, der mit diesen freundlichen Worten auf den Alten zueilte. Es fehlte nicht viel, und er hätte ihn in die Arme geschlossen. Jardin, der kleinlaut in der Nähe stand, wurde kaum beachtet. Ein kurzes Nicken war die ganze Begrüßung für ihn.
»Wollt Ihr mir nicht in die Kabine folgen, caballeros?«, sagte Escamillo liebenswürdig, wobei er eine einladende Bewegung mit der Linken machte. Porquez zögerte.
»Hört, Senor, mir ist hier Verschiedenes nicht ganz klar. Ich muß Euch bei aller Freude des Wiedersehens mit meinem Schiff sagen, daß ich Eure Methoden ein wenig ungebräuchlich finde. Könnt Ihr mir nicht erklären, womit ich Euern überschwenglichen Empfang verdient habe?« Escamillo zeigte ein strahlendes Lächeln.
»Gleich, gleich, Capitan, sobald wir bei einer guten Flasche Wein sitzen. Der Wein löst die Zunge und macht das Sprechen leichter.«
Als man die Kabine betrat, erhob sich dort Pedro Virgen, der Steuermann, aus einem Sessel und begrüßte ebenso freudig wie Escamillo den Kapitän.
»Nehmt Platz und laßt Euch ehrlich willkommen heißen, Capitan«, sagte er und streckte dem alten Mann die Hand hin. Er ließ es sich auch nicht nehmen, Jardin freundlich auf die Schulter zu schlagen, was dieser mit einem heimlichen Aufatmen quittierte. Als der Wein in den Gläsern funkelte, begann Escamillo:
»Bien, Caballeros, ihr wundert euch mit Recht über die kleinen Veränderungen, die hier im Lauf der Abwesenheit unserer —— hm — Kapitänin vor sich gegangen sind, nicht wahr? Nun, ich habe Euch, Senor Porquez, folgenden wichtigen Vorschlag zu machen. Zuvor aber beantwortet eine Frage: würdet Ihr Wert darauf legen, wieder Kapitän dieses Schiffes zu sein?«
Porquez starrte ihn verdutzt an.
»Das bedarf sicherlich keiner Antwort«, sagte er.
»Nun, dann betrachtet Euch von diesem Augenblick an wieder dafür. Nur darauf lief unsere ganze Aktion hinaus. Wir haben es satt, uns von diesem teuflischen Weib herumkommandieren zu lassen.«
»Ich bin über Eure Sinnesänderung, wie Ihr Euch vorstellen könnt, sprachlos. Wollt Ihr mir nicht Näheres erklären?«
Escamillo berichtete von seinen Streitigkeiten mit Marina und gab seiner Meinung Ausdruck, daß es wenig ehrenvoll sei, als Seeräuber ohne jeden königlichen Kaperbrief über die Meere zu fahren. Er habe nicht als Pirat, sondern als Korsar angeheuert. Und ein solcher wolle er bleiben. Porquez schwieg lange. Das einzige, was man im Augenblick hörte, war Ibn Kuteibas Stimme. Der Steuermann übersetzte Abu Hanufa das Gesprochene.
»Bien, Senores, ich nehme natürlich an«, sagte Porquez. »Aber warum habt Ihr diese ganze Komödie aufgeführt? Warum schickt Ihr uns fremde Männer entgegen? Weshalb haben meine eigenen Leute nicht ein Wort gesagt, als sie mich wiedersahen? Ich verstehe das alles nicht.« »Ich bin mir darüber im klaren, Senores, daß diese Situation einer eingehenden Klärung bedarf. Hört also: Das verrückte Frauenzimmer segelte nach Algier. Niemand von uns konnte sich erklären, was sie hier wollte. Ich selbst war handlungsunfähig, weil sie mich vorher in Ketten gelegt hatte. Mit ihrem hündischen Diener und dem langen Engländer verließ sie an dieser Stelle hier das Schiff, um ins Landesinnere zu reiten. Senor Virgen war so klug, mir in meinem Gefängnis diese Merkwürdigkeiten mitzuteilen. Er hatte übrigens eine Vorstellung davon, was oder wen sie in diesem wilden Land suchte, nämlich den Silbador, den ich, wie ich Euch ehrlich sagen will, wie die Pest hasse. Es ist ein Glück, daß er nicht bei Euch war. Sonst wäre er sofort abgeschossen worden.«
Porquez hatte auf der Zunge, sich gegen diesen Haß seines Ersten Offiziers zu verwahren, schwieg aber in Anbetracht der sonderbaren Lage, in der er sich befand. Auch Jardin brachte nicht den Mut auf, Escamillo zurechtzuweisen. Dieser fuhr fort:
»Die fremden Männer, die Ihr soeben
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