Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kerstin Gier 2

Kerstin Gier 2

Titel: Kerstin Gier 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mutter-Mafia und Friends
Vom Netzwerk:
hatte. Wie immer saß da ein rumänisches Mädchen und spielte Akkordeon, grüßte die Ankommenden mit einem gebrochenen »Alo!«, mich aber nicht. Wahrscheinlich dachte sie, bei mir sei sowieso nichts zu holen.
    Und dann sah ich es: Eine Perlen-Paula kam gelangweilt herausgeschlendert, blieb am Gemüseregal vor dem Markt stehen, griff dann nach einem Weißkohl, steckte ihn in die Tasche und ging.
    Der Therapeut hatte Recht!
    Fasziniert blieb ich stehen und wurde Zeuge von drei Diebstählen innerhalb einer Viertelstunde. Die Frauen waren so dreist, sogar dann zu klauen, während ein Mitarbeiter am Regal stand und irgendetwas sortierte.
    Ich ging zu ihm und sprach ihn an.
    »Ach«, meinte er. »Ja, ja, das machen die immer. Das ist so ein Kick für die.«
    »Zeigen Sie die denn nicht an?«
    Verwirrt schaute er mich an. »Natürlich nicht. Diese Damen kaufen hier jeden Tag für hundert Euro ein. Da kümmert mich doch nicht das bisschen Gemüse. Ich erhöhe lieber insgesamt die Preise.«
    Für mich war das eine Logik, die nur bedingt nachvollziehbar war, aber ich wollte mich mit dem Mann nicht streiten.
    Was ich in Eppendorf noch lernte: Die Perlen-Paula an sich ist schlimm, aber die Perlen-Paula, die Kinder hat, ist immer noch ein Stück schlimmer. Sie ist so schlimm wie die Raptoren in Jurassic Park , diese kleinen Biester, die vor cirka 83,5 bis 70,6 Millionen Jahren in der oberkreidezeitlichen Campanium-Stufe im Gebiet der heutigen Mongolei lebten. Es waren laut Film sehr böse, heimtückische Tiere.
    Mein Sohn ist mittlerweile zwanzig Jahre alt und auch ohne Markenklamotten groß geworden. Ich weiß nicht, ob es ihm geschadet hat, im Alter von sechs Monaten keine Strampelanzüge getragen zu haben, die dreihundert Euro kosteten, jedenfalls hat er sich bis heute nicht darüber beschwert. Das Tragische an diesen ganzen Kindern hier ist die Tatsache, dass sie zwar nichts dafür können, aber nach und nach ihren Müttern immer ähnlicher werden.
    Wäre ich Psychologiestudentin, würde ich meine Doktorarbeit darüber schreiben.
    »Studier es doch«, sagte mein Mann, der mein Gemecker über die ganzen Weiber und ihre Kinder langsam nicht mehr hören konnte. Ich wette, in seinen Träumen wohnte ich in der Uni und kam nur noch sporadisch nach Hause.
    Ich weiß bis heute nicht, was in mich gefahren war, aber ich wollte diesen Frauen auf den Grund gehen. Ich wollte sie einfach verstehen.
    Aber es war schwierig.
    Ich fragte mich immer, wenn ich zwei Ehenutten sah, die herumklagten: Warum? Warum freut ihr euch nicht einfach, dass es euch gut geht, dass ihr eine bestimmt schöne Wohnung habt, versorgt seid und auch noch haufenweise Kinder in die Welt setzen könnt, ohne euch vorher fragen zu müssen, ob ihr euch das auch leisten könnt?
    Manchmal stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich solch ein Leben führen würde. Eins war sicher: Ich wüsste es zu schätzen. Zur Belohnung für mich, weil ich es zu schätzen wusste, kaufte ich mir ein paar sehr schöne, sehr teure Schuhe.
    Eines Tages saß ich mit einer Freundin, die ebenfalls Mutter, aber ganz normal war, und ihrer Tochter auf dem Spielplatz Falkenried. Ihre Kleine krabbelte mit anderen Kindern im Sand herum und fühlte sich wohl, wir fühlten uns auch wohl. Da rannte plötzlich eine der anwesenden Mütter panisch umher und schrie. Erst dachten wir, sie sei von einer Wespe gestochen worden, aber dann stellte sich heraus, dass sie lediglich die Windeln für Moritz vergessen hatte. Von Moritz wussten wir aus vergangenen Aufenthalten auf diesem Spielplatz, dass er jetzt schon hochbegabt war und, wenn alles gut lief, mal an der Sorbonne studieren würde. Die Mutter behauptete, Moritz würde schon sprechen und sein erstes Wort sei Kreuzschlitzschraubenzieher gewesen. Beweisen konnte sie das nicht, weil der hochbegabte Moritz meistens nur dann sprach, wenn er alleine war (wahrscheinlich in der Bibliothek des weitläufigen Stadthauses in der Isestraße, wo er technische Handbücher las oder Schillers Glocke auswendig lernte und nebenbei den Satz des Pythagoras studierte).
    Jedenfalls brauchte die Mutter Windeln für Moritz. Meine Freundin holte hilfsbereit eine aus dem Netz des Kinderwagens und reichte sie der Frau, die komplett in Wunderkind gekleidet war, mit den Worten: »Hier, bitte schön.«
    Und die Frau sah auf die Windel und sagte: »Die ist ja von Lidl. Sie sind wohl verrückt geworden. Ich nehme doch nicht jede Windel, die mir angeboten wird.«
    Wir saßen sprachlos

Weitere Kostenlose Bücher