Kerstin Gier 2
sie hat doch sonst nichts zu tun. Fürchterliche Weiber hier. Wobei, die hier sieht aus wie ein Schlachtross. Das wurde in der Kurzgeschichte auch thematisiert. Aber vielleicht ist sie ja nur schon wieder schwanger. Mit dem neunten Kind, während der doofe Papa das doofe, doofe Geld scheffeln muss.«
»Echt? Ist ja witzig. Wie wahr, wie wahr.«
Sie sahen mich abfällig an, lachten und gingen weiter.
Ich wachte schweißgebadet und schreiend auf. Und hatte Angst vor dem Tag, an dem diese Anthologie erscheinen würde.
Ich wohne übrigens immer noch in Eppendorf.
Aber ich nehme mittlerweile ein Antidepressivum, das mir sehr guttut.
Eigentlich ist es doch so schön hier, sooo schön!
Donnerstag
Irgendwie hatte ich gerade ein Déjà-vu, als ich das mit dem hochbegabten Moritz gelesen habe. Was war noch mal Marlons erstes Wort, Frauke?
Sonja, die »Hohlbratze« in ihren täglichen Wortschatz übernehmen wird
Donnerstag
Die Geschichte ist irgendwie … gemein. Echt, ich fänd es den Kindern gegenüber supi-unfair, wenn man sich Markenklamotten leisten könnte, aber dann einfach aus Prinzip nicht kauft. Das macht doch auch Spaß, und es gibt nun mal viele süße Sachen von Baby Dior und so. Die einen haben als Hobby Yoga und die anderen eben Mode. Labelbewusste Kinder müssen nicht automatisch dumm sein, Timmi zum Beispiel konnte Moschino nicht nur schreiben, sondern auch korrekt aussprechen, bevor er in die Schule kam!
Mami (Kugelbauch) Ellen
Donnerstag
HALLO ? Wer zur Hölle kann sich mit einer Frau identifizieren, die zwei Kilo Hackfleisch auf einmal kauft???? Weiß nicht, ob ich es schaffe, weiterzulesen.
Sabine
Donnerstag
Sabine, trink doch einfach was Alkoholisches. Du bist dann immer viel besser zu ertragen. Ich fand die Geschichte sehr traurig. Ich wette, keine einzige von diesen armen Frauen hat jemals eine Babydecke gehäkelt oder sonst wie erfahren, dass Handarbeiten glücklich machen und einem den Sinn fürs Wesentliche zeigen.
Mami Gitti
Donnerstag
Marlons erstes Wort war »Stellvertretersyndrom«, Sonja, aber ich verstehe gerade nicht, was das mit der Geschichte zu tun hat. Das ist irgendwie nicht meine Art Humor, fürchte ich. Und was ist die Botschaft?
Frauke
Jana Voosen
Von Rabenmüttern und Kuckuckskindern
Irgendwie hatte ich mir Muttersein anders vorgestellt. Hier sitze ich nun, halb verborgen hinter einem Baumstamm, damit mich niemand dabei erwischen kann, wie ich meinen Nachwuchs in seiner neuen Bleibe heimlich beobachte. Denn so sollte es nicht sein. Was ich tun sollte, ist, meine Freiheit und das Leben zu genießen. Wenn ich andere Mütter so beobachte, scheint ihnen das leichtzufallen. Als sei ihr Nachwuchs nur eine Belastung gewesen, etwas, das sie zurückhielt wie ein Klotz am Bein. Bei mir ist das ganz anders. Seit ich mein Kind abgegeben habe, fühle ich mich nutzlos. Schuldig. Ich habe gar keine Lust, auf die Suche nach mir selbst zu gehen.
Deswegen sitze ich schon seit Tagen auf diesem Ast, vom dichten Blätterwerk verborgen, und lasse das Nest in der benachbarten Baumkrone nicht aus den Augen. Fünf Eier liegen darin, doch nur eines interessiert mich. Es ist ein wenig größer als die anderen. Auf jeden Fall schöner. Diese ebenmäßige Form, das marmorierte Perlgrau, das im Sonnenlicht schimmert – ich kann mich gar nicht daran sattsehen. Keines seiner kümmerlichen, blassen Nachbarn kann ihm das Wasser reichen. Meinem Ei. Meinem Junior.
Ich spreize meine steif gewordenen Flügel und hüpfe auf und ab. Seit vier Nächten, seit ich entdeckt habe, dass Junior sich im Nest bewegt hat, habe ich kein Auge mehr zugetan. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht war es nur ein Windstoß. Tatsächlich ist der Geburtstermin noch lange nicht, wir haben ihn erst für die nächste Woche errechnet. Aber man weiß ja nie. Wenn es um Kinder geht, ist Vorsicht besser als Nachsicht. Die lieben Kleinen sind stets für eine Überraschung gut, das hört man schließlich immer wieder. Nicht unbedingt unter meinesgleichen, denn meine Artgenossen interessieren sich nicht die Bohne für ihre Nachkommen. Leider. Dieses Desinteresse hat schon immer geschmerzt. Deshalb treffe ich mich gern mit anderen Vogelarten, auch wenn mir das mit meiner Sippe so einige Probleme einbringt. Wie oft muss ich mir verächtliche Kommentare anhören, weil ich mich mit »den Anderen« abgebe. Aber ich mag sie. Ich mag Finken, Sperlinge, Bachstelzen und Zaunkönige. Am allerliebsten sind mir die
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