Kerzenlicht Für Eine Leiche
Zeichen, dass irgendjemand sich um das Cottage herumgedrückt hat?«
»Steckt Gordon in Schwierigkeiten?«, fragte sie unvermittelt. Ihr Ton hatte einen misstrauischen Beiklang, nicht wegen Gordons Verschwinden, sondern wegen des Interesses, das die beiden Besucher dem jüngeren der Lowes entgegenbrachten.
»Nicht mit der Polizei, falls Sie das meinen. Wir denken, dass er seelisch sehr unter Druck steht. Wir möchten ihn finden. Wissen Sie, dass sein Bruder tot ist?«
»Ich habe von Dennys Selbstmord gehört.«
»Und hat es Sie nicht überrascht?«, fragte Markby plötzlich. Für einen Augenblick schien sie sprachlos. Dann sagte sie:
»Doch, eigentlich schon. Wissen Sie, die beiden Lowes waren nicht gerade das, was man gesellig nennt. Ich lebe seit fünfzehn Jahren Tür an Tür mit den beiden, und noch nie haben wir mehr miteinander gesprochen als ›Guten Morgen!‹ Trotzdem, ich hätte nicht gedacht, dass Denny hingehen und sich selbst erhängen könnte.«
»Also wirkte er nicht niedergeschlagener oder sorgenvoller als üblich?« Sie kaute nachdenklich auf ihrer Wäscheklammer.
»Eigenartig, dass Sie das fragen, weil es nämlich genau andersherum war. Beide sahen fröhlicher aus als gewöhnlich. Sie grinsten sich immer wieder zu, als ob sie sich über irgendetwas freuten, das nur die beiden wussten.«
»Und das geschah selten?«
»Schätze schon.« Sie wurde nervös wegen Markbys Fragen.
»Die beiden Lowes sind keine Leute, die ständig gelacht haben. Wie auch, bei ihrem Beruf, nicht wahr? Muss ziemlich deprimierend sein, den ganzen Tag Gräber zu graben. Nun ja, jetzt muss ich aber weitermachen. Hoffentlich finden Sie Gordon.« Markby kehrte zu dem wartenden Vikar zurück.
»Haben Sie das gehört? Was haben die beiden im Schilde geführt, was meinen Sie? Irgendetwas scheint sie amüsiert zu haben. Vielleicht wussten sie etwas? Ein gemeinsames Geheimnis oder so?«
»Was hätten die beiden denn wissen sollen?« Pater Holland sah Markby befremdet an.
»Sie waren wie Kinder. Völlig unverdorben und unkompliziert. Sie lebten tagaus, tagein das gleiche Leben. Aufstehen, zur Arbeit gehen – entweder Gräber ausheben oder gärtnern, nach Hause kommen, zu Abend essen, fernsehen, ein Pint im Pub vor dem Schlafengehen.« Markby stellte sich diesen einfachen Tagesablauf vor.
»Aber irgendwann sind sie vielleicht über etwas gestolpert. Sie waren einfache Männer, James, aber nicht geistig zurückgeblieben. Ich würde sagen, alle beide waren im Gegenteil sogar recht ausgeschlafen.«
»Denny vielleicht«, brummte Pater Holland, »aber Gordon nicht so sehr. O ja, Denny war ziemlich ausgeschlafen.« Markby blickte auf seine Armbanduhr.
»Ich lasse Sie beim Pfarrhaus raus und mache dann besser, dass ich weiterkomme. Ich will zu Bullen raus und mit ihm reden.« Pater Holland blickte ihn erschrocken an.
»Sie glauben doch wohl nicht, dass Bullen etwas Dummes angestellt hat?«
»Bullen ist alt«, entgegnete Markby geheimnisvoll.
»Ihm ist alles zuzutrauen.« Doch insgeheim machte er sich große Sorgen um den alten Mann. Die Verletzungen an Dennys Schädel deuteten auf Mord hin, nicht auf Selbstmord. Gordons Verschwinden sah ebenfalls nicht gut aus. Irgendjemand, irgendwo, aufgescheucht durch die Fortschritte ihrer polizeilichen Ermittlungen, hatte angefangen mögliche undichte Stellen zu eliminieren.
Nachdem er Pater Holland zum Pfarrhaus zurückgebracht hatte, rief Markby vom Wagen aus im Präsidium an und gab Bescheid, dass er später kommen würde. Er wollte nach Westerfield fahren.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, erkundigte er sich.
Und erhielt zur Antwort, dass es nichts Neues gab und die einzige Nachricht für ihn von Mrs. Meredith Mitchell stammte. Er sollte sie anrufen.
Markby sah auf seine Uhr. Falls alles nach Plan lief, würde er sie anrufen, bevor er die Gegend verließ. Im Augenblick jedoch hatte er etwas anderes zu tun. Private Angelegenheiten mussten warten.
Als Markby vor den beiden Cottages der Old Farm ankam, wurde er vom Anblick Nat Bullens belohnt, der hinten in seinem Garten an seinem Kohlbeet herumwerkelte. Offensichtlich war ihm also noch nichts zugestoßen. Markby stieg aus und ging auf das Tor zu.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür der Walcotts, und Oscar schoss heraus. Er rannte über den Weg auf Markby zu, am einen Ende bellend, am anderen mit dem Schwanz wedelnd.
»Hallo Oscar!« Markby beugte sich über das Tor, um den Dackel zu begrüßen. Er sah auf und entdeckte
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