Kerzenlicht Für Eine Leiche
hocherfreut.
»Meine liebe Meredith! Selbstverständlich habe ich Arbeit für Sie, Arbeit ohne Ende sogar. Diese Grabgeschichte hat mich so in Anspruch genommen, dass meine kleinen Routinebesuche allesamt ausgefallen sind. Ich schaffe im Augenblick nur noch die dringenden, aber die regelmäßigen Besuche bei meinen Schafen leiden, beispielsweise Daisy Merrill.«
»Wer ist das?«, erkundigte sich Meredith, während sie noch überlegte, ob sie die Frage stellen sollte.
»Miss Merrill? Sie ist eine gute alte Seele. Sie lebt in einem Pflegeheim draußen in Westerfield. Es heißt ›Cedars‹. Ich versuche, sie wenigstens einmal pro Woche zu besuchen oder anzurufen, denn sie hat sonst niemanden mehr. Sie ist eine aufgeweckte alte Lady, und sie unterhält sich so gerne. Sie könnten nicht vielleicht …?« Er wurde leiser und brach schließlich ab.
»Würde sie mich denn empfangen?«
»Oh, Miss Merrill würde jeden empfangen!«, versicherte Pater Holland vielleicht nicht gerade ausgesprochen taktvoll. Er schnitt Tomaten in den Salat und nahm ein großes Glas Chutney vom Regal.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir hier essen? Ich benutze das Esszimmer so gut wie nie. Hinterher können wir uns über das Problem auf dem Friedhof unterhalten.«
»Alan glaubt, dass die Polizei vielleicht bereits den Namen der Toten kennt«, berichtete Meredith ein wenig später. James Holland füllte ihr Weinglas nach.
»Schnelle Arbeit!«
»Jemand kam vorbei, der glaubt, sie zu kennen. Es sieht aus, als stamme die Tote von hier. Falls das zutrifft, könnte sich der Mörder ebenfalls noch in der Gegend aufhalten, was meinen Sie?«
»Nicht, wenn er eine Spur Verstand besitzt«, erwiderte der Vikar.
»Wahrscheinlich ist er weggegangen, sobald er konnte.«
»Irgendjemand müsste sie gekannt haben. Ziemlich viele Leute genau genommen.«
»Sicher. Aber werden sie sich melden? Der Instinkt, den Kopf unten zu halten, ist ziemlich stark. Hoffen wir, dass Alan der Sache bald auf den Grund geht. Diese Geschichte macht mir Sorgen. Ich bin froh, wenn die Polizei und all die Gaffer endlich wieder von meinem Friedhof verschwunden sind.«
Es war bereits dunkel, als Meredith das Pfarrhaus mit dem Versprechen verließ, Miss Merrill zu besuchen. Sie hoffte, dass sie auf dem Weg nach Hause nicht angehalten wurde, denn sie hatte zusammen mit Pater Holland die ganze Flasche Wein geleert. Meredith trat durch das Tor auf die Straße und kramte in ihrer Tasche nach den Wagenschlüsseln.
Schritte auf dem Pflaster drangen an ihr Ohr. Sie blickte auf. Zwei Gestalten kamen aus der Dunkelheit und traten in das Licht der Laterne. Sie blieben stehen, Seite an Seite, und beobachteten Meredith. Beide sahen sich in ihrer Arbeitskleidung und den Wollmützen verblüffend ähnlich. Ihre Gesichter waren verschlossen, doch die Augen leuchteten hell wie die eines wilden Tieres. Sie musterten Meredith von oben bis unten, ohne ihre Gedanken preiszugeben. Der Anblick der beiden wirkte unglaublich bedrohlich. Mein Gott!, dachte Meredith. Sie werden mich überfallen!
Sie öffnete den Mund, um zu sagen, dass sie kein Geld hatte, doch einer der beiden sprach, bevor sie es tun konnte.
»’n Abend, Miss.« Der ländliche Dialekt beruhigte Meredith ein wenig. Mit einem Mal ahnte sie, wer die beiden waren.
»Denny und Gordon!«, rief sie.
»Die beiden Totengräber, richtig?«
»Das sin’ wir, Ma’am.«
»Was machen Sie mitten in der Nacht hier draußen?« Meredith blickte von einem zum anderen, und diesmal antwortete der Zweite, unmerklich kleiner als der andere, als hätte sie ihn direkt angesprochen.
»Wir haben einen Blick auf den Friedhof geworfen und nachgesehen, ob alles sauber und aufgeräumt is’, Ma’am. Beim Gresham-Grab, wo so viel Aufregung herrscht.«
»Und? Ist alles in Ordnung?«
»Oh, sicher. Wir wollten es nur eben dem Vikar berichten.« Sie schoben sich an Meredith vorbei und traten durch das Tor, das zum Pfarrhaus führte.
»Dann gute Nacht, Miss.«
»Gute Nacht«, erwiderte Meredith. Sie beneidete den Vikar nicht um seine merkwürdigen nächtlichen Besucher.
Das Gebäude des Bezirkspräsidiums war hell erleuchtet, ein Leuchtturm inmitten der umgebenden Dunkelheit. Im Innern herrschte Stille – der Lärm und die Geschäftigkeit des Tages waren dem hallenden Geräusch einzelner Schritte und gelegentlicher Stimmen in leeren Korridoren und Büros gewichen.
Markbys Tür wurde geöffnet, und er blickte auf. Louise Bryce stand da, mit gerötetem
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