Kerzenlicht Für Eine Leiche
Gesicht und einem triumphierenden Grinsen.
»Ich habe sie! Bamford hat sie eben hergeschickt.« Sie schwenkte eine eselsohrige Akte.
»Es ist zwölf Jahre her, fast auf den Tag!«
»Ausgezeichnet! Her damit!« Er streckte die Hand danach aus. Sie strahlte ihn an, und auf ihren runden Backen bildeten sich Grübchen, als sie ihm die Akte reichte. Louise Bryce war eine gedrungene, sommersprossige junge Frau mit kurz geschnittenem, lockigem rötlichen Haar und einem gutmütigen Gesichtsausdruck, den selbst ihr erwählter Beruf noch nicht hatte auslöschen können. Ohne bösen Hintergedanken erinnerte sie Markby stark an Mrs. Bun, die Bäckertochter im Happy Families Kartenspiel – was allerdings nicht bedeutete, dass er ihre Intelligenz oder ihre Hartnäckigkeit auch nur eine Sekunde lang unterschätzte.
»Kimberley Oates«, las er laut vom Aktendeckel vor.
»Jawohl, Sir. Ihre Großmutter, eine Mrs. Joan Oates, hat sie damals als vermisst gemeldet. Ich werde gleich morgen Früh sämtliche Zahnärzte aus der Gegend abklappern und ihre Krankenunterlagen überprüfen. Es sieht tatsächlich so aus, als hätte Ihr Mr. French Recht mit seiner Vermutung, Sir.«
»Er ist nicht ›mein‹ Mr. French!«, sagte Markby.
»Er ist nicht mehr und nicht weniger als ein Bürger, der seine Pflicht erfüllt hat und vorgetreten ist.« Bryce musterte ihn mit einem neugierigen Blick, doch sie sagte nichts. Markby schlug die Akte auf. Eine Reihe von Hochglanzfotografien lag obenauf. Er nahm die erste zur Hand und gab unwillkürlich einen überraschten Laut von sich. Die Knochen aus dem Grab nahmen Gestalt und Leben an. Es war ein professionelles Porträt, und es zeigte einen breit lächelnden, molligen Teenager. Die Lücke zwischen Kimberleys Schneidezähnen war deutlich sichtbar und durchaus reizend. French hatte sie als attraktiv beschrieben, und Pater Holland hatte sich gefragt, ob die Tote hübsch gewesen sei. Hier war die Antwort. Kimberley Oates war ausgesprochen hübsch gewesen. Vielleicht hübscher, als es ihr gut getan hatte. Markby nahm die anderen Fotos zur Hand. Eines zeigte einen Schnappschuss der jungen Frau, aufgenommen im Sommer und vielleicht ein Jahr früher, im Garten eines kleinen Hauses mit einer Katze auf dem Arm. Das andere unterschied sich deutlich und war offensichtlich eine einstudierte Pose. Es zeigte ein prachtvoll gedecktes kaltes Büfett. Ein ganzer pochierter Lachs mit wundervoll arrangierten
»Schuppen« aus Gurkenscheiben lag dort, ein glasierter Schinken, gespickt mit Nelken, und alle möglichen Salate. Auf der einen Seite standen zwei Mädchen, eines davon Kimberley, sowie ein junger Mann, den Markby als den jüngeren, schlankeren und frischer dreinblickenden Simon French wiedererkannte. Alle drei lächelten selbstbewusst in die Kamera, als wären sie dazu aufgefordert worden. Simon trug Weste und Fliege. Die beiden jungen Frauen trugen schwarze Röcke, weiße Blusen und um den Hals dünne schwarze Bänder, die ebenfalls zu Schleifen gebunden waren.
»Aha«, murmelte Markby leise.
»Das Personal.«
»Sie hat für Partytime Caterers gearbeitet, Sir. Genau wie French gesagt hat. Die Firma existiert noch immer, doch ich weiß nicht, ob die Geschäftsleitung die gleiche geblieben ist. Sie befindet sich im Gewerbegebiet in der Burford Road.« Markby betrachtete das Bild genauer. Es schien in einem Privathaus aufgenommen worden zu sein. Hinter dem Büfett war das Sims eines breiten gemauerten Kamins zu erkennen, mit einem Eichensims, auf dem zahlreiche Bilder standen. An der Wand daneben hing irgendeine Urkunde, und ganz am oberen Rand des Fotos war ein Ausschnitt von einem Gemälde zu erkennen. French hatte erwähnt, dass Partytime auch private Feiern belieferte.
»Ich fahre morgen hin und finde heraus, ob sich noch jemand an sie erinnert.« Sie wand sich nervös.
»Soll ich Ihnen die Akte dalassen?«
»Was? Oh. Ja, bitte. Ich werde sie lesen, und dann bekommen Sie sie zurück. Sie können sich wieder an Ihre Arbeit machen.« Als Bryce gegangen war, klappte Markby die Akte auf, und das Deckenlicht strahlte grell auf die mit Schreibmaschine voll geschriebenen Blätter. Zu seiner Verärgerung war die Lampenschale der Neonleuchte von innen mit Fliegendreck übersät, der nun ein Muster winziger dunkler Schatten auf das Papier warf, als wollten sie auf das Verderbte hindeuten, das sich hinter dem Fall verbarg. Markby begann zu lesen und vertiefte sich in die Einzelheiten einer fremden Tragödie.
Es
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