Kerzenlicht Für Eine Leiche
wechselte seither mehrfach den Besitzer.«
»Es ist faszinierend …«, sagte Meredith langsam. Und traurig war es ebenfalls. Was hatten diese Mauern alles zu berichten! Und was für eine turbulente Familiengeschichte war für immer verloren gegangen! Warum hatte man als Motiv für das Deckengemälde die Vertreibung aus dem Garten Eden gewählt? Sicherlich war es eine Anspielung auf die politische Situation des frühen siebzehnten Jahrhunderts gewesen. Der winzige Raum war nicht leer. An einer Wand stand ein altes Sofa. Der Platz reichte gerade aus. Außerdem gab es einen altmodischen Hut- und Garderobenständer. An eine Wand gelehnt lagerten mehrere verstaubte Bilder, und in einer Kiste sammelte sich Nippes. Meredith zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren.
»Vielen Dank, dass Sie mir die Kapelle gezeigt haben, Angie«, sagte sie und meinte es ehrlich.
»Aber jetzt sollten wir wirklich wieder nach unten gehen. Wahrscheinlich fragen sich inzwischen alle, wo wir geblieben sind.« Angie hatte ihr Ziel erreicht.
»Selbstverständlich«, sagte sie fröhlich.
»Jetzt verstehe ich, was du gemeint hast. Wegen Lars Holden«, sagte Meredith auf dem Heimweg von Old Farm. Der Abend hatte sich in die Länge gezogen. Inzwischen war es fast ein Uhr morgens.
»Und warum du wolltest, dass ich mir mein eigenes Urteil über ihn bilde.«
»Und welches Urteil hast du dir gebildet?«
Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Auf den ersten Blick scheint er ein angenehmer Mensch zu sein. Aber er hätte seine Mutter nicht so behandeln dürfen. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.«
Die Scheinwerfer durchschnitten das Schwarz der Nacht und streiften über Hecken, Böschungen und Straßenbäume. Alan Markby saß nachdenklich am Lenkrad und murmelte:
»Nein, das hat mir auch nicht gefallen.«
Nach einem Augenblick des Zögerns fügte er hinzu:
»Ich kann mir denken, wie es dazu gekommen ist. Margaret Holden ist eine sehr starke Frau und tritt bestimmt nicht freiwillig ab, um einer anderen Frau zu überlassen, was sie als ihr Revier betrachtet. Lars’ Karriere war ihr Leben. Für Margaret geht es nicht darum, ob sie eine Schwiegertochter bekommt oder nicht. Für Margaret ist es so, als würde Lars ihr den Koffer vor die Tür stellen und stattdessen eine Anfängerin auf ihren Platz setzen. Ich wage zu behaupten, dass Margarets Verhalten es schwer gemacht hat für ihren Sohn und Miss Pritchard. Trotzdem, er hätte sie nicht vor den Gästen demütigen dürfen, und er hätte nicht zulassen dürfen, dass Angie Pritchard es tut.«
»Margaret hat ihn gezwungen, sich zwischen ihr und seiner Verlobten zu entscheiden, und Lars hat aller Welt verkündet, dass er sich für Angie entschieden hat, meinst du das?« Meredith rutschte in ihrem Sitz hin und her. Sie war kurz vor dem Einschlafen, doch sie riss sich zusammen.
»Etwas in der Art, ja.«
»Aus dem Regen in die Traufe also. Angie erscheint mir als die gleiche dominante Sorte Frau wie Lars’ Mutter. Vielleicht mag er es, wenn starke Frauen ihn organisieren. Ich hätte ihn eigentlich nicht als schwachen Mann eingeschätzt.« Meredith runzelte in der Dunkelheit die Stirn.
»Es muss nicht unbedingt Schwäche sein. Es könnte sich auch um Bequemlichkeit handeln. ›Wenn sie unbedingt will, soll sie doch!‹ – wenn du weißt, was ich meine.«
»Angie hat mir das Geheimzimmer gezeigt, als wir nach dem Essen oben waren. Kennst du es?«
»Ich habe davon gehört, aber nein, ich war noch nie dort. Ist es wirklich versteckt? Wie groß ist es?«
»Ungefähr so groß wie ein altmodischer begehbarer Besenschrank. Nicht viel größer. Sie scheinen es als Abstellkammer zu nutzen. Es liegt ziemlich gut versteckt. Der Eingang befindet sich hinter einem Schrank mit einer falschen Rückwand.«
»Hm. Kimberley Oates war wenigstens einmal in diesem Haus, wusstest du das?« Meredith war von einer Sekunde zur anderen hellwach. Sie wollte sich kerzengerade aufrichten, doch der Gurt hielt sie im Sitz fest.
»Was? Woher weißt du das?«
»Sagen wir, ich bin mir zu neunzig Prozent sicher. Am Montagmorgen werde ich es mit Sicherheit wissen, hoffe ich. Ich habe das Esszimmer auf dem Foto in der Akte wiedererkannt – du weißt schon, die drei Kellner von Partytime. Kimberley Oates. Simon French und die andere junge Frau.«
»Partytime Caterers? Bestimmt hat es auf Old Farm im Lauf der Jahre eine Reihe großer Feiern gegeben. Also hat Margaret einen professionellen Lieferanten beauftragt. Das muss
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